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Der Koch

Der Koch

Titel: Der Koch
Autoren: Martin Suter
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verdanken hatte.
    In diesem Augenblick kam jemand an den Tisch und sagte: »Ich will Sie nicht stören, feiern Sie ungestört weiter. Ich will Ihnen nur meine herzlichsten Glückwünsche aussprechen. Keiner hat es so verdient wie Sie.«
    Er schüttelte dem überrumpelten Staffel, der sich jetzt halb erhoben hatte, herzlich die Hand und stellte sich dann seiner Frau vor: »Eric Dalmann. Sie dürfen zu Recht stolz sein auf Ihren Mann. Mehr solche wie er, und wir hätten keine Krise zu fürchten.«
    »Wer war das?«, wollte Beatrice wissen, als sie wieder unter sich waren.
    »Ich weiß nicht. Dalmann, Dalmann? Irgendein Berater, ich weiß nicht genau.«
    »Und wozu hat er gratuliert?«
    »Genau in diesem Moment wollte ich es dir sagen: Ich bin Manager des Monats.«
    »Und ich erfahre es natürlich wieder als Letzte.«
     
    Maravan war an der Geschirr-Rückgabe eingesetzt, als Andrea die Teller von Tisch drei zurückbrachte. Fink eilte herbei, weil er wissen wollte, wie die Gäste auf »Glasierte Langostinas mit Reiskrokant auf Currygelee« reagiert hatten. Es war das erste Surprise heute Abend.
    Die Teller waren leer bis auf die Köpfe der Langostinas - und den größten Teil des Currygelees.
    Maravan tat, als bemerke er es nicht. Aber Andrea sah mit ungläubigem Kopfschütteln die Teller an, schenkte Fink ein mitleidiges Lächeln, wandte sich an Maravan und sagte: »Ist neunzehn Uhr okay am Montag? Und schreib mir deine Adresse auf.«
    Am nächsten Morgen war Maravan der erste Kunde im Batticaloa-Basar. Es war bereits sein zweiter Besuch in wenigen Tagen. Beim ersten hatte er dem Besitzer achthundert Franken für Nangays Medikament abgeliefert.
    Der Laden war nicht gut bestückt, nur Dosenprodukte und Reis, keine Früchte, kaum Gemüse. Dafür Plakate und Flyer für Veranstaltungen und Einrichtungen der tamilischen Gemeinde und ein paar Sticker der LTTE, der Liberation Tigers of Tamil Eelam. Der Batticaloa-Basar war weniger Lebensmittelgeschäft als Verbindungs- und Kontaktstelle für die Tamilen im Exil und erste Adresse für inoffizielle Bargeldtransfers in den Norden Sri Lankas.
    Maravan bat den Besitzer, über seinen Verbindungsmann in Jaffna seine Schwester zu kontaktieren und ihr zu sagen, sie solle um halb drei Sri-Lanka-Zeit mit Nangay in seinem Laden Maravans Anruf erwarten. Eine kostenpflichtige Dienstleistung, die nur über den Batticaloa-Basar organisiert werden konnte.
    Maravan ging in aufgeräumter Stimmung zur Arbeit und bewahrte sich die gute Laune trotz aller Versuche der Brigade, sie ihm zu verderben. Maravans Rendezvous mit Andrea hatte sich natürlich herumgesprochen - Montagabend, neunzehn Uhr, bei ihm zu Hause! -, und es war, als hätten sich alle verschworen, ihm die Zeit bis dahin besonders schwerzumachen. Maravan hol, Maravan bring, Maravan mach, Maravan!
    Es war die Stunde von Kandan, dem anderen tamilischen Küchengehilfen. Er war kräftig, bullig, schwer von Begriff und ohne das geringste Talent für das Kochen. Und er hatte, wie viele tamilische Männer im Exil, ein Alkoholproblem,  das er, außer vor Maravans feiner Nase, geschickt zu verbergen wusste. Heute bekam er alle etwas anspruchsvolleren Arbeiten zugeteilt, während Maravan spülte, scheuerte, putzte, schrubbte und schleppte.
    Die Stimmung in der Küche war gereizt. Das Restaurant war schlecht besetzt, und auch für den nächsten Abend hatte eine zwölfköpfige Geburtstagsgesellschaft ihre Reservierung rückgängig gemacht. Huwyler stand in der Küche im Weg und ließ seine Laune an seinen Chefs aus. Und die gaben sie an die Demichefs weiter und die wiederum an die Commis und die an die Hilfskräfte.
    Aber Maravan ging es blendend. Gleich als Andrea ihren Dienst antrat, hatte er ihr diskret seine Adresse zugesteckt. Sie hatte gelächelt und so laut, dass es der zufällig in der Nähe stehende Bertrand hören konnte, gesagt: »Ich freu mich.«
    Er wusste bis auf ein paar Details, die er am nächsten Tag klären würde, was er kochen wollte. Und auch für die Technik der Zubereitung besaß er einen verwegenen Plan.
     
    Maravan trug einen Kopfhörer und saß vor dem Computer. Nangays Stimme klang schwach, obwohl die Verbindung überraschend gut war. Er hätte sein Geld behalten und sie in Ruhe sterben lassen sollen, warf sie ihm vor. Sie sei müde.
    Nangay war über achtzig, und in Ruhe sterben wollte sie schon, seit Maravan sich erinnerte.
    Zuerst war sie misstrauisch und wollte ihm seine Fragen nicht beantworten. Aber als er
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