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Der Kleine Prinz Kehrt Zurück

Der Kleine Prinz Kehrt Zurück

Titel: Der Kleine Prinz Kehrt Zurück
Autoren: Jean-Pierre Davidts
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hatte er ein verdrießliches Gesicht gemacht, etwas über harte Zeiten gebrummelt und sein Zelt abgebrochen. Er wollte anderswo sein Glück versuchen, wo er wenn schon kein zahlreicheres, so doch ein zahlungskräftigeres Publikum zu finden hoffte. Der Tiger aber, dessen Käfig nicht richtig verschlossen war, hatte die Gelegenheit beim Schöpf ergriffen und sich aus dem Staub gemacht. Der kleine Prinz entdeckte ihn erst, als er seinen erloschenen Vulkan fegen wollte (man kann ja in diesen Dingen nicht vorsichtig genug sein). Dort hatte der Tiger sich verkrochen.
    »Guten Tag«, sagte der kleine Prinz. »Warum versteckst du dich?«
»Psst!« flüsterte der Tiger. »Wenn das der Direktor hört, muß ich in den Käfig zurück, und das will ich nicht.«
»Hab keine Angst, du kannst ruhig herauskommen, der Zirkus ist weg.«
     
»Die Nachricht lob ich mir!« sagte der Tiger, sprang aus seinem Versteck, reckte sich und holte tief Atem.
    »Merkwürdig, die Luft ist anscheinend besser, wenn sie nicht durch Gitterstäbe gefiltert wird. Liegt am Eisen, schätze ic h.«
»Warum bist du weggelaufen?« fragte der kleine Prinz. »Hat es dir zu Hause nicht gefallen?«
    Der Tiger setzte sich nieder, hob eine Tatze, betrachtete sie von allen Seiten und leckte sie dann mit seiner großen rauhen Zunge sorgfältig ab.
    »Das ewige Reisen ist mir zuviel geworden. Keiner macht sich eine Vorstellung, wie aufreibend es ist, immer nach zwei, drei Tagen schon wieder zu packen und umzuziehen. Ganz zu schweigen von den langweiligen Kunststücken, die man ununterbrochen üben muß. Ein bißchen Urlaub würde mir guttun.«
Er blickte sich um.
    »Die Vulkane da haben Stil. Nur Grünzeug wächst zu wenig auf deinem Planeten. Ich bevorzuge eine üppigere Vegetation, die mich an meinen Heimatdschungel erinnert. Nun ja. Man nimmt, was man kriegt.«
    »Du mußt mich jetzt entschuldigen«, sagte der kleine Prinz. »Ich habe noch zu tun.«
»Ich werde dich begleiten«, entschied der Tiger. »Ich will mir ein bißchen die Pfoten vertreten. Im Käfig verlernt man leicht, geradeaus zu gehen, weil man sich ständig im Kreis dreht.«
    Wie Sie ja wissen, Herr von Saint-Exupery, war der kleine Prinz auf das ökologische Gleichgewicht seines Planeten bedacht, bevor es diesen Begriff gab. Jetzt verstand ich auch, wozu er das Schaf brauchte, das um uns herumstreunte: Es half ihm, mit den Sprößlingen der Affenbrotbäume fertigzuwerden, die den Planeten zu überwuchern drohten. Abends verstaute er es immer gewissenhaft in seiner Kiste, denn einerseits weiß diese Tierart die relative Geborgenheit eines nächtlichen Unterstands zu schätzen, andererseits befürchtete er, es könnte sich in einem Anfall von Heißhunger irrtümlich an seiner geliebten Rose vergreifen.
    Als der Tiger das Schaf erblickte, begannen seine Lefzen zu zucken und entblößten elfenbeinfarbene Reißzähne.
»Dieser Asteroid hat ja einige Überraschungen zu bieten«, stellte er fest. »Ich dachte, hier wohnt nur ein kleiner Prinz, und nun finde ich ein Schaf. Wo ich doch seit jeher eine Schwäche für diese zarten Wesen habe.«
Der kleine Prinz fühlte eine unerklärliche Verwirrung. Etwas wie eine verhüllte Drohung ging von dem Tiger aus, und hinter seinen liebenswürdigen Manieren schienen dunkle Abgründe zu lauern.
Als das Schaf es sich in seiner Kiste bequem gemacht hatte, kümmerte der kleine Prinz sich um seine Blume.
»Das hat ja lange gedauert«, beschwerte sich die Rose.
Denselben Vorwurf hatte sie ihm schon nach seiner letzten Reise gemacht. Nicht: Ich bin froh, daß du wieder da bist, auch nicht: Ich habe mir schon Sorgen um dich gemacht, bloß: Das hat ja lange gedauert.
Sie war eben eine sehr stolze Blume, die Rose mit ihren vier Dornen. Niemals hätte sie zugegeben, daß ihr auch nur ein bißchen bange war.
»Wen hast du da mitgebracht?« fragte sie beim Gießen.
»Nur einen Tiger«, erwiderte der kleine Prinz.
Die Blätter der Rose erbebten, obwohl es völlig windstill war.
»Einen Tiger! Bist du verrückt?« rief sie aus. »Weißt du, wie gefährlich das ist? Schnell, versteck dich hinter mir! Ich werde dich mit meinen Dornen schützen.«
Dem kleinen Prinzen wurde warm ums Herz. Anscheinend lag ihr doch etwas an ihm, und ihre gewohnte Gleichgültigkeit war nur gespielt.
Der Tiger hatte alles mit angehört. Er brach in ein schreckliches Gelächter aus, das wie ein Brüllen klang. Und die entblößten Reißzähne verstärkten den Eindruck seiner Wildheit noch.
»Hahaha! Eine
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