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Der Kleine Prinz Kehrt Zurück

Der Kleine Prinz Kehrt Zurück

Titel: Der Kleine Prinz Kehrt Zurück
Autoren: Jean-Pierre Davidts
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kurzen Leben, sagte ich mir da, wenn es einen Ort gäbe, der mich aus meinem Sessel reißen könnte, dann wäre es dieser.
    Das Lästige am Reisen - sofern es nicht nur im Polstersessel und auf der Landkarte stattfindet - sind die Mitreisenden. Ich bin kein Menschenfeind, aber die allzu große Nähe anderer ist mir unangenehm. Außerdem kann ich, behaglich in meinem Sessel sitzend, in Kislowodsk oder Södertalje verweilen, so lange ich möchte. Meine Gefährten würden womöglich zum Aufbruch drängen oder harmlosere Orte mit verheißungsvolleren Namen wie Rom, Paris, London oder New York vorziehen. Und das demokratische Empfinden, ganz zu schweigen von der Höflichkeit, würde von mir fordern, daß ic h mich dem Wunsch der Mehrheit beuge.
    Um in aller Ruhe Kyaukpyu zu besichtigen, wäre es wohl am besten, ich verreiste allein.
Ich hatte so lange Zeit in meinem Polstersessel zugebracht, daß ich einen gewissen Hang zum Unbequemen verspürte. Also beschloß ich, auf den übersteigerten Luxus einer Kreuzfahrt zu verzichten und mit der nüchternen Effizienz eines gewöhnlichen Frachters vorlieb zu nehmen, der mich am schnellsten ans Ziel bringen würde.
    Lieber Herr von Saint-Exupery, ich weiß, daß Ihr Fliegerblut nicht gerade in Wallung gerät, wenn Sie das lesen. Nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich halte nicht viel vom Fliegen. Aus der Luft betrachtet, ist alles so winzig, als wäre dort statt der Landschaft eine Landkarte hingebreitet, und meistens sieht man ohnehin nicht mehr als eine ununterscheidbare Herde umwölkter Gipfel. Ich wollte dem Wasser und der Erde nahe sein, wo sie sich berühren, ich sehnte mich nach dem Konkreten, Wirklichen.
    Als meine Entscheidung gefallen und meine Koffer gepackt waren, machte ich mich auf den Weg zum nächstgelegenen Hafen. Dort fragte ich die Kapitäne der auf Reede liegenden Schiffe:»Fahren Sie nach Kyaukpyu?«
    »Was? Wohin?« fragten sie zurück.
»Nach Kyaukpyu?«
»Kenn ich nich!«
    »Bösen Husten hamse sich da eingefangen, sollten sich mal auskurieren.«
Sie hätten wirklich ein bißchen freundlicher sein können. Es war zum Verzweifeln.
Dann kam ich zum letzten Schiff, einem uralten Frachter mit bleichem, verkrustetem Kiel, dessen brandiger Rumpf aus zahllosen Rostlöchern blutete. Der Name SKIPSKJELEN schien mir ein gutes Vorzeichen zu sein. Beherzt erklomm ich den Steg, der unter der ungewohnten Belastung heftig schwankte, und machte mich auf die Suche nach dem Kapitän, den ich in seinem Quartier aufstöberte.
Mit seiner ankerbestickten marineblauen Jacke und seinem schwarzen Bart, der ein vom Schwell der Jahre durchfurchtes Gesicht überwucherte, sah er genauso aus, wie man sich einen alten Seebären vorstellt. Die Pfeife im Mundwinkel, schlürfte er ein Gläschen bernsteinfarbenen Jahrgangsrum, der in seinen meerblauen Augen karibische Funken schlug.
»Ich will nach Kyaukpyu, Kapitän«, sagte ich ohne Umschweife.
Er hob den Kopf und sah mich neugierig an. Ein schmales Lächeln teilte den Algenvorhang auf seinen Wangen.
»Nach Kyaukpyu? Malerisches Örtchen, nur'n bißchen ruhig nach' m Zapfenstreich, würd' ich sagen. Willkommen an Bord, Jan Maat.«
Am nächsten Tag legten wir ab.
Glauben Sie mir, es war eine wundervolle Reise.
Ich verbrüderte mich gleich mit dem Kapitän, der hinter seinem bärbeißigen Gehabe ein Herz aus Gold verbarg. Ich hätte von früh bis spät zuhören können, wenn er von den Abenteuern erzählte, die ihn vom Nordpol zum Südpol geführt hatten. Aufmerksam überprüften wir jeden Tag das Vorankommen unseres Schiffes, er auf seinen mit sibyllinischen Zahlen bedeckten Seekarten, ich auf meinen Landkarten, wo ein barbarisch klingender Name dem anderen folgte: Badr Hünayn, Rä's ash-Sharbithät, Srivardhan, Lakshadweep, Tiruvanantapuram, Chavakachcheri, Pariparit Kyün...
Bei Sonnenuntergang ging ich in die Kapitänskajüte, um ein wenig mit ihm zu plaudern. Da saßen wir dann, umwölkt von den bläulichen Kringeln, die duftend seiner Meerschaumpfeife entstiegen - denn daß es eine Meerschaumpfeife war, versteht sich ja von selbst. Der Kapitän kippte sich schwungvoll ein Glas von seinem Fusel hinter die Binde und goß sich noch ein zweites ein, bevor er von neuem zu den phantastischen, mit tausend kräftigen Flüchen gespickten Schilderungen seiner Irrfahrten über die sieben Meere und vier Ozeane anhub, die in mir ein lebhaftes Echo fanden. Seine heisere Stimme hauchte den fremdartigen Namen in meinen Karten auf magische Weise Leben
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