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Der Kleine Prinz Kehrt Zurück

Der Kleine Prinz Kehrt Zurück

Titel: Der Kleine Prinz Kehrt Zurück
Autoren: Jean-Pierre Davidts
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ein, und im Licht seiner Erinnerungen leuchteten meine vierfarbigen Atlanten in allen Farben des Regenbogens.
Dann, nach einem großartigen Sonnenuntergang in der Andamanensee, bei dem alle Abstufungen von Ocker, Purpur und Indigo am Himmel zu einem Aquarell ineinanderflossen, kam der Monsun über uns.
Die entfesselten Elemente fielen über den alten Kahn her und rissen ihn von Luv nach Lee, daß sein Gerippe die ganze Nacht ächzte und stöhnte. Ich hatte Ölzeug über meinen Pyjama gezogen und versuchte, ohne auf die Gefahren zu achten, mich zur Poop durchzukämpfen, wo der Kapitän unverzagt die Stellung hielt, um die Skipskjelen vor dem drohenden Untergang zu retten. Heulende Böen und klappernde Bleche gaben ein ohrenbetäubendes Konzert, während ich mich mit aller Kraft dem Sturm entgegenstemmte. Das Unglück wollte es, daß das Schiff indem Moment, als ich auf der wasserglänzenden Brücke ausrutschte, Schlagseite bekam, so daß eine auf Deck hereinbrechende Woge mich von Bord spülte.
Ich bin ein miserabler Schwimmer und verdanke mein Leben nur dem glücklichen Umstand, daß, kurz bevor ich absoff, ein Stück Treibholz vorbeigeschwommen kam. Verzweifelt klammerte ich mich daran und ließ es nicht mehr los, während ich in wilder Berg- und Talfahrt von Wellenkamm zu Wellenkamm schlingerte. Als sich die See besänftigt und der Himmel, von seinem Bodensatz befreit, wieder geklärt hatte, stellte ich fest, daß ich auf einer kleinen Insel gestrandet war. Meine ganze Ausstattung bestand aus einem Paar Pantoffeln, in die ich vor dem Schiffbruch geschlüpft war. In diesem Moment mußte ich mir eingestehen, daß Reisen, für die man seinen Sessel verläßt, gewisse Unannehmlichkeiten mit sich bringen.
Die Insel war kaum größer als ein Schnupftuch, ein Haufen Sand mit einem Buschen Kokospalmen im Nirgendwo, ein grünes Staubkorn im unendlichen Blau des Ozeans.
    Welche Ironie des Schicksals, lieber Herr von Saint-Exupery! Sie stürzten in einem Sandmeer ab, und ich erlitt in einer Wasserwüste Schiffbruch.
    Im Nu hatte ich mein neues Reich erkundet. Leider gab es darin keinen Freitag, der dem angehenden Robinson die Grundbegriffe des Insellebens hätte beibringen können. Einer Laune der Natur gehorchend, entsprang einem Steinhaufen in der Mitte der Insel eine muntere Quelle, die ein Knäuel tropischer Pflanzen mit bunten Früchten besprengte. Wenigstens würde ich nicht verdursten oder verhungern.
    Ich war so wenig gewitzt im Umgang mit den Unbilden des Abenteurerlebens, daß mich diese abrupte Wendung der Dinge vollkommen überraschte.
    Wie auch sonst, mögen Sie einwenden, lieber Herr von SaintExupery, und hätten natürlich recht. Dennoch - wer nur ein wenig mehr durch die Welt gekommen wäre, sähe sich solchen Umständen wohl nicht so hilflos ausgeliefert wie ein Salongelehrter meiner Couleur.
    Ich hatte nicht die geringste Vorstellung, welches Verhalten einer solch unerquicklichen Lage angemessen sei, und entschied mich für die vernünftigste Lösung: Ruhe bewahren und gute Miene zum bösen Spiel machen, bis Hilfe einträfe. Wenn die Skipskjelen nicht untergegangen war - allerdings hatte ich noch keinen Beweis des Gegenteils -, würde der Kapitän mich retten. Früher oder später wäre das Schicksal mir hold und schickte mir ein Schiff, das in diesen Gewässern kreuzte und Kurs auf mein Sandfloß nähme. Geduld und Zuversicht sind der Proviant des Schiffbrüchigen.
    Von dieser Gewißheit ermutigt, machte ich es mir unter einer Kokospalme so bequem, wie es eben ging, und sank vor lauter Erschöpfung sogleich in einen traumlosen Schlaf.
    Wie lange hatte ich wohl in Morpheus' Armen geruht? Ich weiß es nicht. Eine zarte Stimme weckte mich.
»Bist du ein Tigerjäger?«
    Überrascht fuhr ich hoch.
Muß ich ihn beschreiben, lieber Herr von Saint-Exupery? Sie wissen soviel mehr von ihm, als ich jemals erfahren werde. Sein Haar war golden wie sonnensatter Juliweizen, und sein Gewand hätte man eher zwischen den Marmorsäulen eines Palasts erwartet als auf einem von Meereswellen umspülten Fleckchen Sand. Er stand vor mir und betrachtete mich. Neben ihm kaute ein Schaf friedlich an einem Palmblatt. Es hatte jene Leere in den Augen, die alle Angehörigen seiner Art für die Wirren der Welt um sie herum unerreichbar macht.
Mein erster Gedanke war, daß ein Schiff gelandet sei, während ich schlief, und ich nichts davon gemerkt hätte. Ich ging um die ganze Insel herum, kniff die Augen zusammen und suchte den Horizont
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