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Der Kleine Prinz Kehrt Zurück

Der Kleine Prinz Kehrt Zurück

Titel: Der Kleine Prinz Kehrt Zurück
Autoren: Jean-Pierre Davidts
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erklärte der Statistiker. »Die Leute könnten vielleicht wegen des Lärms schlechter schlafen. Also wären sie tagsüber müde und würden weniger arbeiten. Darunter litte die Produktion, was eine Verringerung des Nationaleinkommens nach sich zöge. Wenn man dagegen nicht frühzeitig etwas unternimmt, ist das Land bald bankrott. Oder aber die Leute kaufen mehr Wachsstöpsel für die Ohren, um besser zu schlafen. Dann würde dank der stärkeren Nachfrage die Bienenzucht angekurbelt, um genügend Wachs für die Ohrenstöpsel zu produzieren. Zuviele Bienen könnten aber den Flugverkehr behindern, und das hätte schwere Beeinträchtigungen nicht nur des internationalen Tourismus, sondern auch des Welthandels zur Folge.«
Der kleine Prinz machte vor Erstaunen große Augen. Wer hätte gedacht, daß harmloses Quaken so dramatische Auswirkungen haben könnte!
Glücklich darüber, daß er einen so aufmerksamen Zuhörer gefunden hatte, fuhr der Statistiker in seinen Erläuterungen fort, während er das Monster unermüdlich mit Kathodenfutter mästete.
»Zählen, Messen, Vergleichen fasziniert die Menschen. Sie wollen wissen, ob die Radieschen bei ihnen besser wachsen als bei ihren Nachbarn und ob man dort die Haare länger oder kürzer trägt. Das läßt sich statistisch ermitteln. Dank der Statistik können wir Probleme im Vorfeld erkennen und unverzüglich Maßnahmen zu ihrer Behebung treffen.«
Ein Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des kleinen Prinzen aus.
»Heißt das, wenn ich ein Problem habe, kannst du mir helfen, es zu lösen?«
»Mit Statistiken kann man alles ausdrücken und alles lösen«, erwiderte der Statistiker würdevoll und strich sich stolz den Bauch. »Was für ein Problem hast du denn?«
»Ich habe einen Tiger. Er ist ein bißchen lästig, und ich wäre ihn gerne los.«
Der Statistiker verschränkte seine Finger ineinander.
»Einen Tiger?« fragte er. »Nur einen? Das ist zu wenig. Es müssen mehr sein.«
»Ich habe aber nur einen, und der ist schon zuviel«, sagte der kleine Prinz. »Ich werde mir jedenfalls keinen zweiten anschaffen, nur um dir eine Freude zu machen.«
»Hm, klar«, brummte der Statistiker. »Und diesen Tiger, hast du den schon länger?«
»Nein, nicht so lange.«
»Aha! Daraus läßt sich schließen, daß die Tigerpopulation in weniger als einem Jahr um hundert Prozent zugenommen hat. Wieviele Einwohner leben auf deinem Planeten?«
»Zählen Rosen und Schafe auch mit?«
Der Statistiker schüttelte den Kopf.
»Dann nur einen. Außer mir gab es dort noch nie jemanden.«
»Mhm. Das ist nicht sehr beruhigend. Die Gesamtpopulation stagniert bei einem Verhältnis von einem Tiger pro Einwohner. Statistisch betrachtet, läßt sich also folgende Prognose treffen« der Statistiker blickte selbstgefällig in die Runde und zog an den Aufschlägen seines Arbeitsmantels, als wären es Hosenträger - : »Wenn es in diesem Rhythmus weitergeht, wird es auf dem Planeten in zehn Jahren 1024 Tiger pro Einwohner geben. Meines Erachtens wäre es das Vernünftigste, ihn unverzüglich zu verlassen.«
»Meinen Planeten verlassen? Umziehen? Kommt überhaupt nicht in Frage!« protestierte der kleine Prinz. »Ich fühle mich dort sehr wohl, und die Sonnenuntergänge sind wunderschön. Außerdem glaube ich nicht, daß meine Rose erfreut darüber wäre. Sie hängt an diesem Planeten, wahrscheinlich, weil sie dort ihre Wurzeln hat.«
»In diesem Fall«, meinte der Statistiker, »sehe ich keine andere Lösung, als das Wachstum der Tigerpopulation einzudämmen, bevor es zu spät ist.«
»Das ist eine gute Idee!« sagte der kleine Prinz. »Und wie soll ich das machen?«
Nachdenklich kratzte sich der Statistiker an seiner langen Nase.
»Ohne ernsthaften Grund werden die Tiger nicht aufhören, sich zu vermehren. Vielleicht, wenn man ihnen Angst einjagt...«
»Tiger haben vor nichts Angst«, warf der kleine Prinz niedergeschlagen ein.
»Falsch«, widersprach der Statistiker. »Wenn mein Gedächtnis mich nicht trügt, hat bei der letzten Erhebung mehr als ein Tiger angegeben, Angst vor Jägern zu haben.«
Der kleine Prinz schöpfte wieder Hoffnung.
»Weißt du, wo ich einen Tigerjäger finden kann?«
»Nein, aber das läßt sich leicht eruieren. Man entwickelt einen Fragebogen, der die Leute nach ihrem Beruf fragt, und beauftragt Meinungsforscher, die Antworten zu sammeln und auszuwerten. Dann braucht man nur noch diejenigen zu ermitteln, die als Beruf ›Tigerjäger‹ angegeben haben, den Planeten festzustellen, auf
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