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Der Kleine Prinz Kehrt Zurück

Der Kleine Prinz Kehrt Zurück

Titel: Der Kleine Prinz Kehrt Zurück
Autoren: Jean-Pierre Davidts
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viel schwerer, als man sich vorstellt. Die Artikel, die die Leute nicht haben wollen, weil sie nicht wissen, daß sie sie brauchen, machen genug Arbeit. Wie soll man sich da auch noch um die kümmern, die sie haben wollen? Tut mir leid, Kleiner, ich kann dir nicht helfen. Tiger sind leider aus. Ich habe keinen im Angebot.«
»Ich will keinen Tiger kaufen«, berichtigte der kleine Prinz. »Ich habe einen und will ihn loswerden.«
Da strahlte der Werber über das ganze Gesicht.
»Aha! Das ändert natürlich alles! Jetzt brauchen wir nur noch eine Kampagne, die den Leuten klarmacht, daß Tiger der letzte Schrei sind. Ich sehe den grandiosen Werbefeldzug schon vor mir, weltweit, was sage ich, intergalaktisch, mit einem Riesenaufgebot an Stars in sämtlichen Medien, mit Zeitungsanzeigen, Fernsehsendungen und Reklameschildern an den wichtigsten interstellaren Flugbahnen. Ich garantiere dir: In Bälde wird jeder davon überzeugt sein, daß das Leben ohne Tiger nicht lebenswert ist. Tiger werden sich verkaufen wie warme Semmeln, man wird sie sich aus den Händen reißen!«
»Ich habe aber gar nicht so viele Tiger zu verkaufen«, wandte der kleine Prinz ein. »Es gibt nur einen auf meinem Planeten.«
»Ach so«, sagte der Werber. »Na, macht nichts, zerbrich dir darüber nicht den Kopf, wir finden schon welche. Wir schicken überall Expeditionen los mit dem Auftrag, Tiger zu fangen, Tiger, Tiger, nichts als Tiger. Du wirst sehen: In einem Jahr bist du für die ganze Welt nur noch›Der König der Tiger‹.«
Der Werber hatte sich in einen wahren Rausch hineingesteigert. Plötzlich kam er wieder zu sich und wurde nachdenklich.
»Wofür ist ein Tiger eigentlich gut?« fragte er.
Nun seufzte der kleine Prinz.
»Für nichts. Er frißt Schafe, und den Rest des Tages verschläft er.«
»Ist nicht so schlimm«, sagte der Werber. »Unnütze Dinge lassen sich leichter verkaufen. Staubfänger horten die Leute am liebsten. Die kaufen sie massenweise, bloß um damit anzugeben oder ihre Nachbarn zu ärgern.«
»Aber warum sollten sie sich einen Tiger aufhalsen?« fragte der kleine Prinz. »Wo bringen sie ihn denn unter?«
»Mußt du alles so kompliziert machen? Ein Tiger braucht so wenig Platz. Man packt ihn irgendwo hin, in den Tank, in die Müslischachtel, was weiß ich. Aber... was rede ich da eigentlich? Das ist doch völlig verrückt! Warte, ich muß erst darüber nachdenken.«
Der Werber versank in tiefe Grübelei.
Als der kleine Prinz merkte, daß er ihn nicht mehr wahrnahm, machte er sich wieder auf die Reise. Er hätte nie gedacht, daß es so schwierig wäre, einen Tiger loszuwerden.
    Über Kometen und Meteore führte der Zufall den kleinen Prinzen zu einem dritten Planeten, auf dem Unmengen von Papier herumlagen und ein infernalisches Getöse herrschte: Räderwerke ratterten, Metallzähne knirschten, Mechanismen griffen scheppernd ineinander. Der kleine Prinz ließ das Schaf aus der Kiste, damit es sich ein wenig die Hufe vertrat, und versuchte herauszufinden, woher der Lärm kam. Bald entdeckte er eine Maschine, die so groß war, daß jeder Affenbrotbaum vor Neid grün geworden wäre. Auf einer Seite spuckte sie ununterbrochen Blätter aus, auf der anderen befand sich ein Bildschirm. Davor saß ein dicker Mann in einem weißen Kittel an einem Schreibtisch.
    Der kleine Prinz trat neugierig näher.
»Guten Tag«, sagte er. »Was machst du da?«
»Ich stelle Berechnungen an«, antwortete der Mann, ohne den
    Blick zu heben.
Seine Finger flogen über die elfenbeinfarbenen kleinen Höcker der Tastatur, und die Buchstaben und Ziffern wurden auf der fluoreszierenden Oberfläche des Bildschirms zu kabbalistischen Formeln, die sich wie Raupen über die Zeilen wanden, bis die Maschine, grunzend vor informatischer Befriedigung, sie gierig verschluckte.
    »Was berechnest du?« wollte der kleine Prinz wissen. »Eine ganze Menge«, sagte der Mann. »Zum Beispiel, ob Eskimos im Sommer mehr Eis essen als im Winter, oder ob die Frösche im letzten Frühjahr lauter gequakt haben als vor zehn Jahren.«
Der kleine Prinz begann zu lachen.
»Komische Idee. Und warum tust du das?«
»Weil ich Statistiker bin. Das ist mein Beruf.«
»Komischer Beruf. Was hat man davon, wenn man weiß, ob die Frösche heute lauter quaken als vor zehn Jahren?«
»Die Tatsachen sind nicht so wichtig. Das Wesentliche sind die Schlüsse, die man daraus zieht.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Aus dem Quaken der Frösche lassen sich alle möglichen Vorhersagen ableiten«,
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