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Der Klang des Herzens

Titel: Der Klang des Herzens
Autoren: Jojo Moyes
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konnte sie noch bis zur Haustür schimpfen hören.

     
    Die Beerdigung von Samuel Frederick Pottisworth fand an einem so regnerisch-trüben Tag statt, dass die Leute, die sich in der kleinen Dorfkirche versammelten, schon glaubten, der Abend würde heute früher hereinbrechen. Samuel war der letzte der Pottisworths gewesen. Aus diesem Grund – und vielleicht auch, weil er nicht gerade zu den beliebtesten Zeitgenossen gehört hatte – waren nur wenige gekommen. Die McCarthys, Pottisworths Hausarzt, jemand von der Versicherung und ein Rechtsanwalt hatten sich in großzügigen Abständen auf die erste Bank verteilt. Damit es nach mehr aussah, vielleicht.
    Ein paar Reihen weiter hinten saß Byron Firth mit seinen Hunden, so wie es seine Stellung traditionellerweise verlangte. Er achtete nicht auf die giftigen Blicke und das Getuschel der alten Weiber auf der anderen Seite des Gangs. Er hatte sich daran gewöhnt. Er wusste, dass diese Blicke und das Getuschel unvermeidlich waren, wann immer er es »wagte«, im Dorf aufzutauchen; er nahm es mit steinerner Miene hin. Außerdem hatte er im Moment andere Sorgen. Er hatte beim Weggehen seine Schwester mit ihrem neuen Freund telefonieren hören und konnte sich des unangenehmen Gefühls nicht erwehren, dass sie vorhatte, mit ihm zusammenzuziehen. Und Lily mitzunehmen. Aber allein konnte er sich die Miete für das Haus nicht leisten. Und es war unwahrscheinlich, dass er einen Untermieter finden würde, der nichts gegen ihn und seine Hunde einzuwenden hätte. Aber was noch wichtiger war: Er hatte keinen Job mehr, jetzt, da der alte Mann tot war. Im Moment wurde sein Lohn zwar noch aus dem Nachlass bezahlt, aber das konnte nicht ewig so weitergehen. Ohne viel Hoffnung blätterte er die Stellenanzeigen durch, um zu sehen, ob es irgendwelche Gelegenheitsjobs gab.
    Ein paar Leute waren einfach so gekommen. Mrs Linnet zum Beispiel, die Putzfrau, ließ sich nie eine gute Beerdigung
entgehen. Sie konnte sie regelrecht einstufen, nach Besucherzahl, den besten Hymnen, der Qualität der Würstchen im Schlafrock und der Speckseiten. Bis zurück ins Jahr 1955. Sie hatte gleich noch zwei alte Damen mitgebracht, »Kundinnen« von ihr, wie sie meinte. Zum Vikar sagte sie, sie hätten Mr Pottisworth zwar nicht persönlich gekannt, würden sich aber bestimmt über »ein wenig Abwechslung« freuen. Noch dazu, wo zu erwarten stand, dass es anschließend einen üppigen Leichenschmaus geben würde. Schließlich wusste Mrs McCarthy, was sich gehörte. Leute wie sie wussten das immer.
    In einer der hinteren Bänke hatten Asad und Henry die Köpfe über einem Gesangbuch zusammengesteckt.
    »Schau sie dir an, sitzen fein rausgeputzt da vorne, als gehörten sie zur Familie«, schimpfte Henry leise.
    »Vielleicht hilft es ihnen ja über ihren Kummer hinweg«, bemerkte Asad trocken. Er war hochgewachsen und schlank und musste einen Buckel machen, um die Worte im Gesangbuch mit Henry mitlesen zu können. »Sie sieht heute besonders hübsch aus. Ich glaube, dieser Mantel ist neu.«
    Ein leuchtend roter Mantel im Military-Stil, der in der düsteren kleinen Kirche deutlich hervorstach.
    »Wahrscheinlich rechnen sie jetzt mit Geld. Sie hat mir gestern erzählt, dass ihr Mann eine Anzahlung auf einen dieser protzigen Geländewagen mit Vierradantrieb gemacht hat.«
    »Ich finde, sie hat es auch verdient. Hat sich jahrelang für diesen schrecklichen Mann abgerackert. Ich hätte das nicht gekonnt.«
    Asad schüttelte den Kopf. Seine schmalen Züge, die seine somalische Herkunft verrieten, wirkten edel und ein wenig melancholisch. Er brachte es fertig, unter fast allen Umständen würdevoll zu erscheinen, wie Henry behauptete. Sogar in seinem Thomas-die-kleine-Lokomotive-Schlafanzug.

    »Welchen schrecklichen Mann meinst du in diesem Fall?«, brummte Henry.
    Die letzte Strophe des Liedes war zu Ende. Man hörte Kleidergeraschel und das dumpfe Geräusch von Gesangbüchern, die auf Holzbänke zurückgelegt wurden. Die Kongregation machte sich bereit für den letzten Teil der Messe.
    »Samuel Pottisworth war«, hob der Vikar an, »ein Mann, der … sich sein Leben lang treu blieb.« Er schien nach Worten zu ringen. »Er war einer der … eines der ältesten Mitglieder unserer Dorfgemeinschaft.«
    »Die McCarthys waren schon lange scharf auf das Haus«, sagte Henry leise. »Schau ihn dir an, wie er da neben ihr steht – als ob Butter nicht schmelzen könnte.«
    Asad warf ihm einen fragenden Blick zu und schaute dann
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