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Der Klang des Herzens

Titel: Der Klang des Herzens
Autoren: Jojo Moyes
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seinen bösartigen Geist, sein gehässiges Gackern hören.
    Und dann kam Nicholas auf sie zugerannt, bleich wie ein Laken, die Aktenmappe an die Brust gedrückt.
    »Was zum Teufel …?«, keuchte er. »Ich war in der Garage. Was zum Teufel …?«
    Aber sie konnte bloß mit dem Kopf schütteln. Langsam gingen sie auf den Garten zu.
    »Thierry!«
    Sie bogen um die Ecke, und Laura blieb fast das Herz stehen.
    »Thierry!«
    Isabel stand wenige Meter von ihnen entfernt auf dem Rasen. Das Haar stand ihr wild vom Kopf ab. Sie versuchte, einen Schritt zu machen, aber ihre Knie knickten ein, und sie sackte zu Boden.

    »O nein«, hauchte Laura, »nicht das Kind…«
    Nicholas streckte ihr seine Hand hin, aber sie war so entsetzt, dass sie sie nicht nehmen konnte.
    »Das ist Matts Werk«, behauptete Nicholas. »Er hat die Struktur geschwächt. Ich schwör dir, das Haus war noch in Ordnung, als ich es das erste Mal gesehen habe.«
    Laura konnte den Blick nicht von der Delancey abwenden. Sie war kreidebleich, ihre Augen weit aufgerissen, voller Verzweiflung.
    Ihre Tochter stand schluchzend hinter ihr.
    »Mum?«, rief jemand. Und noch einmal: »Mum?«
    Isabel wandte sich um. Laura war sicher, dass sie ihren Gesichtsausdruck nie vergessen würde. Der Junge kam mit seinem Hund aus dem Wald gesprungen. »Mum?«
    Und schon war Isabel auf den Beinen. Barfuß rannte sie übers Gras, an den Gästen vorbei, an allen vorbei und riss ihren Sohn an sich. Sie begann derart herzzerreißend zu schluchzen, dass auch ihr, Laura, die Tränen kamen. Und dennoch, einen Teil dieses Kummers hatte sie selbst verschuldet.
    Laura wurde unbehaglich zumute; sie kam sich vor wie ein Voyeur. Sie wandte sich ab und dem Haus zu, eine Ruine inmitten einer Waldlichtung. Die Front war nurmehr eine Backsteinfassade mit zwei leeren Fenstern als Augenhöhlen und einem Türstock, der wie ein aufgerissener Schlund aussah.
    Und durch diesen Schlund kam nun ihr Mann herausgestolpert, mit blutigem Kopf und eigenartig verdreht herunterhängendem Arm. Er schien sich nicht weiter an der Katastrophe zu stören, ja schien sie gar nicht wahrzunehmen. Tatsächlich sah er nicht anders aus, als wenn er soeben ein Haus inspiziert hätte, in dem er einige Arbeiten vornehmen würde.
    »Mein Gott«, stieß Nicholas hervor. Und auf einmal erkannte sie das Ausmaß von Matts Wahnsinn.
    »Laura?« Matt stapfte über die Steine auf sie zu. Laura sah,
dass ihr Mann, obwohl nur wenige hundert Meter von seinem Haus entfernt, nicht mehr wusste, wo er war.
     
    »Danke«, sagte Isabel aus tiefstem Herzen. Bei wem sie sich bedankte, wusste sie nicht so recht, bei irgendeiner höheren Macht. Sie konnte ihren Sohn gar nicht mehr loslassen. »Danke, danke. Mein Gott, ich dachte schon … Ich hätte es nicht ertragen können. Ich hätte das nicht ertragen können.« Sie sog Thierrys Geruch ein, presste ihren Sohn an sich, wollte ihn nicht loslassen, vergoss ihre Tränen auf seine Haut.
    »Wir haben alle durchgezählt«, verkündete Henry. »Alle Jungs und Mädchen sind da.«
    »Zurück«, befahl Asad. Er unterbrach sich und sog an seinem Inhalator. »Die Kinder sollten vielleicht besser zum See runtergehen.«
    Abermals ertönte ein grollendes Poltern.
    »Was ist das?«, fragte Kitty ängstlich.
    Entsetzt schauten sie zu, wie die Rückwand des Westflügels, die andere Hälfte des großen Schlafzimmers, zu zittern begann und dann wie in Zeitlupe in einer Staub- und Geröllwolke in sich zusammensank. Glas splitterte, Balken krachten. Ein paar der Jugendlichen schrien erschrocken auf und rannten zum See hinunter. Isabel nahm ihre beiden Kinder in die Arme und versuchte, ihnen die Augen zuzuhalten.
    »Schon gut«, sagte sie leise, »schon gut. Uns kann nichts passieren.«
    »Aber wo ist Byron?«, fragte Kitty.
    »Byron?«, fragte Thierry fassungslos.
    »Er wollte Thierry suchen«, sagte Kitty dumpf und drehte sich zum Heizungskeller um.
    Der nicht mehr stand.
    »Ach du großer Gott«, sagte Henry.
    Isabel war bereits losgelaufen, fiel vor dem Schutthaufen auf die Knie und begann, Steine hinter sich zu werfen.

    »Nicht schon wieder«, brabbelte sie, ohne zu denken. »Nicht schon wieder. Nicht du auch noch.«
    Und dann, als sich die Sache herumsprach, kamen auch die anderen und begannen Steine wegzuräumen. Schlanke Teenagerarme und -beine wurden rotbraun vom Ziegelstaub. Isabels Hände waren zerkratzt und blutig.
    »Byron!«, brüllte sie. Und immer wieder: »Byron!«
    Die Vettern wickelten Kitty und
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