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Der Klang des Herzens

Titel: Der Klang des Herzens
Autoren: Jojo Moyes
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Thierry trotz der Mittagshitze in Badetücher. Thierry zitterte am ganzen Leib, war kreidebleich. Henry drückte ihm eine Cola in die Hand.
    »Ist es meine Schuld?«, hörte Isabel ihren Sohn fragen, und ihr Gesicht verzerrte sich vor Kummer.
    Zu sechst rissen sie an einem Balken. Keuchend bekamen sie ihn frei. Kittys Freunde riefen einander Warnungen zu, vor Glasscherben oder hervorstehenden Nägeln. Zwei Mädchen weinten, eine stand etwas abseits und sprach aufgeregt in ihr Handy.
    »Sie werden gleich da sein«, sagte Henry, wie um sich selbst zu trösten. »Die Feuerwehr und der Rettungswagen. Die finden ihn schon.«
    Isabel grub weiter, verfiel in einen Rhythmus. Sie warf Steine hinter sich, einen, zwei, drei. Dann schaute sie, ob eine Lücke zu sehen war, eins, zwei, drei, seinen Namen rufend. Sie keuchte, das Herz klopfte ihr bis zum Hals.
    »Dass mir ja keiner da raufklettert«, rief Asad. »Es könnte einstürzen. Und wenn er da drunter ist, dann schaden wir ihm mehr, als wir ihm nützen.«
    Wie um seine Worte zu bestätigen, brach ein Balken, und zwei Teenager sprangen mit einem erschreckten Quieken zurück. Sie wurden von ihren Freunden rasch in Sicherheit gebracht.
    »Weg da, weg«, rief Asad. »Alle weg da. Die andere Seite könnte auch noch einstürzen.«
    Es ist hoffnungslos, dachte Isabel und setzte sich auf. Sie
warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Fast zwanzig Minuten waren vergangen, und sie wussten immer noch nicht, wo er war. Sie spürte so etwas wie Chaos in sich aufsteigen, eine verspätete Hysterie. Hinter ihr stritten sich zwei Leute darüber, wie man einen Balken am besten anhob. Henry und Asad befahlen den Jugendlichen, die Aufräumarbeiten sein zu lassen und zurückzuweichen.
    Und ihre Tochter versuchte, Thierry einzureden, dass alles gut werden würde.
    Aber das würde es nicht. Byron war irgendwo dort unten, unter den Trümmern des Hauses begraben. Und jede Minute, die verstrich, konnte bedeuten, dass es zu spät war. Hilf mir, flehte sie ihn an und spürte, wie ihr der Schweiß den Rücken hinablief. Hilf mir, dich zu finden. Ich könnte es nicht ertragen, dich auch noch zu verlieren. Sie warf einen Stein hinter sich. Dann setzte sie sich auf und presste ihre staubigen Handballen an die Augen.
    So blieb sie etwa eine Minute lang reglos sitzen. Dann schaute sie sich um.
    »Ruhe!«, rief sie. »Seid mal alle still!«
    Und da hörte sie es: das aufgeregte Bellen zweier Hunde.
    »Thierry!«, rief sie. »Wo sind Byrons Hunde? Hol sie!«
    Sein Gesicht hellte sich kurz auf. Verwirrt schauten die Gäste zu, wie er um den See herumflitzte, die Tür von Byrons Auto aufriss und Meg und Elsie rausließ. Die beiden Hündinnen flogen nur so auf sie zu, rannten direkt zum anderen Ende des Hauses.
    »Ruhe! Seid alle still!«, rief Isabel.
    Stille breitete sich aus, eine tiefe, schwere, angespannte Stille. Selbst die Zeit schien innezuhalten. Isabel konnte hören, wie Kitty in Henrys Armen ihr Schluchzen abwürgte.
    Sie warf sich neben den Hunden zu Boden und brüllte erneut: »Byron!« Ihre Stimme war erschreckend, selbst in ihren Ohren, durchdringend, gebieterisch. »Byron!«

    Die Stille schien tausend Jahre anzuhalten, lange genug, dass Isabels Herz stillstand, tief genug, um zu hören, dass ihre Tochter mit den Zähnen klapperte. Selbst die Vögel schwiegen, die Bäume hörten auf zu rauschen. Alles hielt den Atem an.
    Und dann, man hörte bereits das Heulen von Sirenen in der Ferne, begannen die Hunde zu winseln und dann immer lebhafter zu bellen. Hektisch begannen sie im Schutt zu scharren.
    Und dann hörte sie es.
    Seine Stimme.
    Ihren Namen.
    Die schönste Musik, die sie je gehört hatte.
     
    Er sei noch mal glimpflich davongekommen, sagten die Notärzte. Verdacht auf Schlüsselbeinbruch, ein tiefer Riss im Oberschenkel und schwere Blutergüsse. Man würde ihn über Nacht im Krankenhaus behalten, um sicherzugehen, dass er keine inneren Verletzungen davongetragen hatte.
    Er lag auf einer Krankentrage, umgeben von Notärzten, die lebhaft diskutierten. In den Streifenwagen zischten und knackten die Polizeifunkgeräte. Laura McCarthy sah, wie der Delancey-Junge unbeachtet an die Bahre trat und seinen Kopf auf Byrons Hand legte. Seine kleine Hand lag auf der Brust des großen Mannes. Als dieser das ungewohnte Gewicht spürte, hob er den Kopf, blinzelte ein paar Mal und berührte mit einer staubigen Hand die Wange des Jungen.
    »Keine Angst, Thierry«, sagte er so leise, dass sie es kaum hören
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