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Der Klang des Herzens

Titel: Der Klang des Herzens
Autoren: Jojo Moyes
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Region gebräuchlicheren Feuerstein-Fassade. Über dem riesigen Erkerfenster des großen Schlafzimmers ragten in zwei ungleichmäßigen Reihen Zinnen auf. Ein zwar beeindruckendes, insgesamt aber unschönes, fast widerborstiges Haus, seinem vorherigen Eigentümer nicht unähnlich. Aber es hatte Potenzial. Laura musste ein Schaudern unterdrücken. Das Große Haus. Das Haus, das sie neu erschaffen, in dem sie den Rest ihres Lebens verbringen würde. Das Haus, das ihren Eltern und allen anderen ein für alle Mal beweisen würde, dass es kein Fehler gewesen war, Matt zu heiraten.
    »Schaut es euch an«, erklang Matts Stimme in der Stille. »Er hätte es einfach verfallen lassen.«

    »Ich erinnere mich an die Zeit, als seine Eltern noch dort wohnten«, sagte Mrs Linnet, die sich an Asads Arm klammerte. »Da war’s noch wunderschön. Und so gepflegt. Da und dort drüben standen Pfaue aus Stein, und auf dem See gab’s Boote. Und dort am Ufer blühten herrliche Rosen. Die dufteten noch richtig, nicht bloß so wie heute.«
    »Muss toll gewesen sein«, bemerkte Asad.
    »Es kann wieder schön werden. In den richtigen Händen.«
    »Ich würd’s nicht wollen. Es liegt so einsam. Hier sagen sich doch Fuchs und Hase gute Nacht.«
    Laura schaute ihren Mann an, der ein wenig abseits der Gruppe stand und sinnend zum Haus aufblickte. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck von Frieden, als wäre eine jahrelange Anspannung von ihm abgefallen. Ob sie wohl ähnlich aussah? Aber nein, wahrscheinlich nicht.
    »Ach, Matt«, sagte Derek Wendell, der Notar, leise, »könnte ich Sie vielleicht kurz sprechen?«
    »Hab ich euch eigentlich schon mal erzählt, wie er dieses Feld verkaufen wollte, das hinter der alten Scheune?« Mike Todd war neben Matt aufgetaucht, seine Stimme dröhnte durch die Nacht. »Hat ein gutes Angebot dafür bekommen, sogar mehr, als er verlangen wollte. Alles ging glatt, bis er beim Notar mit dem Käufer zusammentraf.« Er machte eine dramatische Pause. »Ein De-sas-ter.«
    »Erzähl weiter, Mike«, kicherte Laura. Sie hatte zu viel getrunken, was ungewöhnlich für sie war. Normalerweise hielt sie sich bewusst zurück. Es gab nichts Unangenehmeres, als mit einem Brummschädel aufzuwachen.
    »Als er merkte, dass der gute Mann Franzose war – das heißt, seine Eltern waren Franzosen; er lebte schon seit zwanzig Jahren in England -, war die Sache für ihn gelaufen. ›Ich verkauf mein gutes Land doch nicht an einen verdammten Kollaborateur! Kein Frog kriegt meinen Stammsitz in seine
schmierigen Pratzen …‹ Die Ironie dabei war, dass kein Pottisworth je im Krieg gedient hat. Sind alle entweder als untauglich ausgemustert worden oder haben sich feige zum zivilen Dienst gemeldet.«
    »Ich glaube, er hat überhaupt nie an jemandem ein gutes Haar gelassen«, überlegte Matt, den Blick noch immer zum Haus hinauf gerichtet.
    »Aber an Mrs McCarthy doch bestimmt. Wo sie doch so viel für ihn getan hat …«
    »Pah! Nicht mal an Laura. Jedenfalls nicht, dass ich wüsste«, sagte Matt.
    Er setzte sich auf die langgestreckte, niedrige Mauer, von der das Grundstück umschlossen war. Unweit davon führten flache Stufen zur Auffahrt hinunter. Oder das, was früher einmal die Auffahrt gewesen war. Matts Haltung war entspannt, selbstbewusst, die Haltung eines Eigentümers, der sich fürs Familienalbum ablichten lässt.
    »Matt.« Derek Wendell stand jetzt dicht neben seiner Schulter. »Wirklich, ich muss mit Ihnen reden.«
    Laura bemerkte seine Miene noch vor Matt. Selbst in ihrem beschwipsten Zustand erkannte sie etwas darin, das sie schlagartig nüchtern werden ließ.
    »Es geht ums Testament, oder? Kann das nicht warten?« Matt schlug ihm kameradschaftlich auf den Rücken. »Sie sind wohl immer im Dienst, was, Derek?«
    »Ich war seit dreißig Jahren nicht mehr hier«, verkündete Mrs Linnet von weiter hinten. »Das letzte Mal war auf der Beerdigung des alten Mr Pottisworth. Zwei Rappen haben den Sarg gezogen – ich wollte einen streicheln, und er hat mich gebissen.« Sie streckte ihre Hand aus und musterte sie mit schmalen Augen. »Schaut, da ist noch die Narbe.«
    Jetzt redeten alle durcheinander. Jeder wollte erzählen, aber nicht zuhören.
    »Ich erinnere mich noch gut an diese Beerdigung«, sagte
Matt. »Mein Vater und ich, wir standen am Tor. Er wollte nicht reingehen, stand einfach nur da und ließ den Leichenzug an sich vorbeifahren. Ich weiß noch, dass er weinte. Zehn Jahre war’s her, dass sie ihn rausgeschmissen
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