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Der Kirschbluetenmord

Der Kirschbluetenmord

Titel: Der Kirschbluetenmord
Autoren: Laura Joh Rowland
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Kammerherrn zu billigen und anschließend die Einzelheiten der Durchführung besprachen. Sano wurde erst aus seinem Dämmerschlaf gerissen, als der Shōgun seinen Namen sagte.
    »Sano, verzeiht, daß wir Euch so lange bei uns behalten haben. Ihr seid müde. Aber nun dauert es nicht mehr lange. Wir müssen jetzt nur noch die Frage Eurer Belohnung klären.«
    Mit einigen Schwierigkeiten raffte Sano sich auf und versuchte, wach zu bleiben.
    »Als Gegenleistung für den wertvollen Dienst, den Ihr mir geleistet habt, soll Euch jeder Wunsch gewährt sein, den ich Euch erfüllen kann«, sagte Tokugawa Tsunayoshi.
    Sano war überwältigt von der Großzügigkeit dieses unerwarteten Geschenks. »Ich … ich danke Euch, Hoheit«, sagte er stockend. Aber wie sollte er die richtige Wahl treffen? Schließlich beschloß er, eine Bitte zu äußern, die – so hoffte er zumindest – eine seit langem sprudelnde Quelle drückender Schuldgefühle versiegen lassen würde. »Ich möchte Euch bitten, die Kurtisane Wisterie aus dem Vergnügungsviertel Yoshiwara freizukaufen und ihr genug Geld zu geben, daß sie als freie Bürgerin leben kann.«
    Der Shōgun regte sich nicht; der Ausdruck auf seinem Gesicht war nicht zu deuten. »So soll es sein. Aber dieser Lohn ist mir zu gering für Eure Dienste. Ich gewähre Euch noch einen Wunsch.«
    Derart ermutigt, sagte Sano: »Dann möchte ich Euch um einen Gedenkstein für meinen ermordeten Schreiber bitten, Hamada Tsunehiko, der in Erfüllung seiner Pflicht sein Leben ließ. Der Stein soll auf der Grabstätte der Hamadas aufgestellt werden.« Diese ehrenvolle Anerkennung durch den Shōgun würde sehr dazu beitragen, der Familie des Jungen Trost zu spenden, und sie würde auf gewisse Weise Sanos eigenen Wunsch befriedigen, den Hamadas Wiedergutmachung zu leisten. »Außerdem soll Niu Midori aus dem Kloster im Tempel der Kannon entlassen und nach Hause gebracht werden, hierher nach Edo.«
    »Für sich selbst wünscht er sich nichts.« Voller erstaunter Bewunderung blickte der Shōgun die Anwesenden an. »Nur für andere.« Dann wandte er sich wieder Sano zu und sagte: »Eure Bitten sollen erfüllt werden. Doch als Anerkennung für Eure selbstlose Großzügigkeit werde ich Euch eine weitere Belohnung zukommen lassen, die ich für angemessen halte.«
     
    Nun, Stunden später, ritt Sano durch das Tor, das in die Wohngegend führte, in der seine Eltern lebten. Als er den Kanal überquerte, schaute er auf das prächtige schwarze Pferd, das Tokugawa Tsunayoshi ihm als Ersatz für Wadas getötetes Tier gegeben hatte. Die Satteltaschen waren prall gefüllt mit Neujahrsgeschenken für seine Familie und seine Freunde: kostbares Geschirr aus Lack, Keramik und Silber; wunderschön eingewickelte Päckchen mit mochi und Mandarinen.
    Sano schaute an sich hinunter. Er trug einen dick gepolsterten Mantel und Umhänge aus Seide, die aus des Shōguns eigener Garderobe stammten; alle Kleidungsstücke trugen das Wappen der Tokugawas. Sano berührte die prachtvollen Schwerter, die sein dankbarer Wohltäter ihm geschenkt hatte; sie waren die schönsten Arbeiten des meisterhaften Schwertschmieds Yoshimitsu. Sano spürte das Gewicht des Geldbeutels, der zehn Goldstücke enthielt – ein Vorschuß auf die eigentliche Belohnung, die Sano nach seinem Besuch zu Hause erhalten sollte. Es sah aus, als würde all diese Pracht jemand anderem gehören – dem Fremden, der Sano geworden war.
    Doch der Gedanke an seine wirkliche Belohnung beunruhigte ihn …
    Vor dem Haus seiner Eltern stieg Sano aus dem Sattel. Er hatte sein Pferd kaum durch das Tor geführt, als die Tür auch schon geöffnet wurde. Und da stand sein Vater – zerbrechlich und gebeugt, sah er kranker aus als je zuvor. Mit einer Hand stützte er sich am Türrahmen ab; in der anderen Hand hielt er den Brief, den Sano ihm über den Priester hatte zukommen lassen. In den müden, eingesunkenen Augen des alten Mannes spiegelte sich eine Mischung aus Hoffnung, Unsicherheit, Argwohn, Angst und hilfloser Liebe wider.
    Schuldgefühle zerrten an Sanos Herz. Was immer er in der gestrigen Nacht auch erreicht haben mochte – er würde es sich niemals verzeihen, seinem Vater so viel Schmerz zugefügt zu haben. Er wollte etwas sagen, doch die Kehle war ihm wie zugeschnürt. Tränen der Scham brannten ihm in den Augen.
    »Ichirō.« Sein Vater streckte die Hand aus, in der er den Brief hielt; dann aber ließ er den Arm sinken, als wäre er sich nicht schlüssig, ob er Sano ins
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