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Der Ketzerlehrling

Der Ketzerlehrling

Titel: Der Ketzerlehrling
Autoren: Ellis Peters
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Stillschweigen veranlaßt, aber in dem fröhlichen Trubel war es einfach, ihm auszuweichen.
    »Ihr werdet zum Fest Euer Haus voll haben«, bemerkte Hugh, der stehengeblieben war, um das bunte Chaos zu betrachten, das er offenkundig ebenso genoß wie die Kinder.
    Die Gruppe, die sich unmittelbar hinter dem Tor versammelt hatte, geriet plötzlich in Bewegung. Der Pförtner trat in den Eingang zu seiner Behausung, und die Leute beiderseits des Tores wichen zurück, als wollten sie einem Reiter Platz machen. Doch unter dem Torbogen war nicht das harte Geklapper von Hufen auf Kopfsteinpflaster zu hören. Die neuen Gäste kamen zu Fuß, und als sie den Hof erreicht hatten, wurde deutlich, weshalb ihnen so bereitwillig Platz gemacht wurde. Ein langer, flacher Handkarren rollte knarrend herein, gezogen von einem untersetzten, grauhaarigen Bauern und geschoben von einem schlanken, mit Reisestaub bedeckten jungen Mann. Die Fracht, die darauf lag, war mit einem dunkelbraunen Mantel zugedeckt, und auf ihr lag ein in Sackleinen eingeschlagenes Bündel; doch angesichts der Art, auf die sich die beiden Männer abmühten, mußte sie schwer sein, und ihre Form, so lang, wie ein Mann groß war, und schulterbreit, rief Gedanken an Sterblichkeit wach. Von ihr ausgehend breitete sich Schweigen aus und erreichte allmählich auch die Stelle, an der Hugh und Cadfael standen.
    Die Kinder schauten großäugig drein und standen mit gespitzten Ohren da, ehrfürchtig und neugierig zugleich, und wollten sich nichts entgehen lassen.
    »Ich glaube«, sagte Hugh leise, »da kommt ein Gast, der eine Unterkunft außerhalb des Gästehauses braucht.«
    Der junge Mann hatte sich aufgerichtet, leise stöhnend nach der Anstrengung des gebückten Schiebens, und schaute sich nach der nächsten Amtsperson um. Der Pförtner kam auf ihn zu, umrundete den Karren mit dem Sarg auf die umsichtige Art eines Mannes, den nichts überrascht und der sich von nichts aus der Fassung bringen läßt, nicht einmal vom Auftreten des Todes inmitten der Vorbereitungen zu einem Fest. Was zwischen ihnen gesprochen wurde, war zu leise, zu ernst und zu vertraulich, als daß es von irgend jemandem mitgehört werden konnte; aber es hatte den Anschein, als bäte der Fremde um Unterkunft für sich selbst und seinen Schutzbefohlenen. Sein Verhalten war ehrerbietig und höflich, wie es sich in dieser Umgebung geziemte, verriet aber auch Selbstbewußtsein. Er wendete den Kopf und deutete mit der Hand auf die Kirche. Er war ein junger Mann, vielleicht sechsundzwanzig oder siebenundzwanzig Jahre alt, in Kleidern, die von der Sonne ausgebleicht und dick mit dem Staub der Straße bedeckt waren. Etwas mehr als mittelgroß, schlank und sehnig, mit kräftigen Knochen und breiten Schultern und einer Mähne aus strohfarbenem Haar, etwas heller als die von der Sonne gebräunte Stirn, und mit einer guten, kühnen Nase, schmal und gerade. Ein stolzes Gesicht, im Augenblick erschöpft von der Anstrengung und ernst, wie es die Art seines Auftrags mit sich brachte; aber von Natur aus, dachte Cadfael, der ihn über den Hof hinweg musterte, müßte es eigentlich ein offenes, zuversichtliches, gutmütiges Gesicht sein, das gern lächelte, und ein breitlippiger Mund, der bereit war, auf das erste freundliche Wort zu reagieren.
    »Jemand aus Eurer Herde hier in der Vorstadt?« fragte Hugh, der ihn interessiert betrachtete. »Aber nein, seinem Aussehen nach ist er lange unterwegs gewesen und hat eine weite Reise hinter sich.«
    »Dennoch«, sagte Cadfael und schüttelte den Kopf, weil ihn sein Erinnerungsvermögen im Stich ließ, »ist mir so, als hätte ich dieses Gesicht schon einmal gesehen, irgendwo, vor längerer Zeit. Oder er erinnert mich an einen anderen jungen Mann, den ich kannte.«
    »Die jungen Männer, die Ihr früher einmal gekannt habt, könnten in der halben Welt zu Hause sein. Nun, Ihr werdet es herausfinden, zu gegebener Zeit«, sagte Hugh. »Es sieht aus, als wollte sich Bruder Denis um die Angelegenheit kümmern, und einer Eurer jungen Leute ist in den Kreuzgang gerannt, um noch jemand anderen zu holen.«
    Dieser andere Jemand war, wie sich herausstellte, kein geringerer als Prior Robert höchstpersönlich, pflichtbewußt gefolgt von Bruder Jerome. Die ausgreifenden Schritte des Priors und die Kürze von Jeromes Beinen verwandelten das, was eigentlich ein eifriges, selbstbewußtes Voranschreiten sein sollte, in ein hastiges Getrippel – ein Getrippel, das Jerome immer rechtzeitig dorthin
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