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Der Ketzerlehrling

Der Ketzerlehrling

Titel: Der Ketzerlehrling
Autoren: Ellis Peters
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Stephan! –, wenn beide Seiten ihren Vorteil davon hätten. Du gibst mir deine volle Unterstützung hier oben im Norden, und dafür halte ich dir Owain Gwynedd und seine Waliser vom Hals. Gemeinsam sind wir stärker als allein!«
    Cadfaels buschige Brauen wölbten sich zu seiner ergrauten Tonsur empor. »Und das, obwohl Ranulf nach wie vor Lincoln Castle hält, Stephan zum Trotz? Und noch weitere Burgen, die er wider alles Gesetz hält? Hat Stephan vor dieser Art von Unterstützung und Freundschaft die Augen verschlossen?«
    »Stephan hat nichts vergessen. Aber er ist willens, darüber hinwegzusehen, wenn er erreichen kann, daß Ranulf sich ein paar Monate lang still und friedlich verhält. Es gibt mehr als nur einen unsicheren Verbündeten, der zu groß wird für seine Schuhe«, sagte Hugh. »Ich nehme an, daß Stephan vorhat, jeweils mit einem zur Zeit abzurechnen. Und es gibt zumindest einen, der für ihn eine größere Bedrohung darstellt als Ranulf von Chester. Er wird bekommen, was ihm zusteht, zu gegebener Zeit, aber da ist jemand, dem Stephan mehr vorzuwerfen hat als nur ein paar gestohlene Burgen. Es lohnt sich, Chesters Entgegenkommen zu erkaufen, bis er mit Essex fertig ist.«
    »Das hört sich an, als wüßtet Ihr genau, was im Kopf des Königs vor sich geht«, sagte Cadfael sanft.
    »Ja, ich bin dessen so gut wie sicher. Ich habe gesehen, wie er sich bei Hofe verhielt, letzthin zu Weihnachten. Ein Fremder hätte sich fragen können, wer der König war. Umgänglich mag Stephan sein, aber sanftmütig ist er nicht. Und es gab Gerüchte, daß der Earl von Essex wieder mit der Kaiserin verhandelt hat, als sie in Oxford war; aber als sie aus der belagerten Stadt flüchten mußte, wurde er anderen Sinnes. Er ist inzwischen oft genug zwischen den beiden hin-und hergependelt, und ich glaube, er ist am Ende seines Seils angekommen.«
    »Und Ranulf soll besänftigt werden, bis die Sache mit dem anderen Earl erledigt ist.« Cadfael rieb sich zweifelnd die stumpfe braune Nase und dachte einen Moment stumm darüber nach. »Das scheint mir eher die Denkweise des Bischofs von Winchester zu sein als die von König Stephan«, sagte er schließlich.
    »Das kann schon sein. Und vielleicht ist das der Grund dafür, daß der König für diesen Auftrag jemanden aus Canterbury beruft und nicht aus Winchester. Wer käme auf die Idee, zu vermuten, daß hinter der Hand von Erzbischof Theobald eine Idee aus Heinrichs Kopf lauern könnte? Es gibt keinen Mann im Gefolge des Königs oder der Kaiserin, der nicht weiß, daß sich die beiden nicht ausstehen können.«
    Das konnte Cadfael nicht bestreiten. Die Feindschaft bestand seit fünf Jahren. Der Sitz des Erzbischofs von Canterbury war nach dem Tode Wilhelms von Corbeil vakant gewesen, und König Stephans jüngerer Bruder Heinrich hatte die zuversichtliche Erwartung gehegt, daß ihm dieses Amt übertragen würde; er war überzeugt, daß es ihm zustand. Seine Enttäuschung war groß, als Papst Innozenz an seiner Stelle Theobald von Bec berief, und Heinrich machte aus seinem Mißfallen so wenig Hehl und benutzte den Einfluß, den er hatte, so offensichtlich, daß Innozenz ihn entweder in dem Wunsch, seine unbestreitbaren Fähigkeiten anzuerkennen, oder aus Ärger und Bosheit zum päpstlichen Legaten in England ernannt und ihn damit de facto über den Erzbischof gesetzt hatte – ein Schritt, der gewiß nicht dazu angetan war, den einen dem andern lieb und teuer zu machen. Fünf Jahre würdevollen, aber dennoch ingrimmigen Haders hatten das Feuer in Gang gehalten. Nein, kein argwöhnischer Earl, der von einem Abgesandten Theobalds aufgesucht wurde, würde auf die Idee kommen, hinter dem Vorschlag nach irgendwelchen Anzeichen für die verschlagenen Machenschaften Heinrichs von Winchester zu suchen.
    »Nun«, gab Cadfael vorsichtig zu, »da Ranulf mit den Walisern in Gwynedd alle Hände voll zu tun hat, könnte er geneigt sein, sich höflich zu verhalten. Aber ich sehe nicht recht, welche Art von Hilfe Stephan ihm anbieten könnte.«
    »Überhaupt keine«, erklärte Hugh mit einem kurzen Auflachen, »und das weiß Ranulf so gut wie wir. Nichts als seine Nachsicht; aber die wird, wie die Dinge liegen, auch ihren Wert haben. Oh, sie verstehen einander gut genug, und keiner traut dem andern, aber jeder von ihnen wird zusehen, daß der andere in seinem eigenen Interesse vorerst stillhält. Ein Übereinkommen, Auseinandersetzungen auf einen geeigneteren Zeitpunkt zu verschieben, ist besser,
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