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Der Ketzerlehrling

Der Ketzerlehrling

Titel: Der Ketzerlehrling
Autoren: Ellis Peters
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derselben Hand wie das auf dem Deckel des Behältnisses. Es könnte sein, daß die Prinzessin einen solchen Künstler in ihrem Gefolge mit nach Westen brachte. Es ist wirklich die Hochzeit zweier Kulturen, wie die Hochzeit, die es feiert.«
    »Sie waren in St. Gallen«, sagte Anselm, Gelehrter und Historiker, während er liebevoll, aber ohne Begierde, das schönste und einzigartigste Buch betrachtete, das er vermutlich je zu Gesicht bekommen würde. »In dem Jahr, in dem der Prinz heiratete, waren sie dort, Vater und Sohn gemeinsam. Das steht in der Chronik. Der junge Mann war siebzehn und wußte kostbare Manuskripte zu würdigen. Er nahm etliche aus der Bibliothek mit, und nicht alle wurden zurückgegeben. Ist es da ein Wunder, daß ein Mann, der Bücher liebte, dieses hier bis an die Grenze des Wahnsinns begehrte, sobald sein Blick darauf gefallen war?«
    Cadfael, der stumm ein wenig abseits stand, wandte den Blick von den reinen, leuchtenden Farben ab, die vor fast zweihundert Jahren von einer sicheren Hand und einem liebevollen Geist aufgetragen worden waren, und betrachtete Fortunatas Gesicht. Sie stand da, mit einem wachsamen Elave dicht neben sich, und Cadfael wußte, daß der Junge nach wie vor in der Deckung ihrer Körper ihre Hand hielt, so fest, wie Jevan sie im Arm gehalten hatte, als sie die einzige, schwache Barriere war, die ihn vor Verrat und Untergang schützte. Sie blickte unverwandt auf den herrlichen Gegenstand, den William ihr als Mitgift geschickt hatte, und ihre Augen waren ein wenig verschleiert und die Lippen in einem blassen, unbewegten Gesicht zusammengepreßt.
    Es war nicht die Schuld des irischen Mönches Diarmaid in St. Gallen, der seine höchste Kunst in ein Werk der Liebe hatte einfließen lassen oder zumindest in ein Geschenk zu einer Hochzeit, der erhabensten jener Zeit, einer Verbindung zweier großer Reiche. Nicht seine Schuld, daß dieses wundervolle Werk zwei Menschen den Tod gebracht und die Braut, der es zugedacht gewesen war, sowohl beraubt als auch bereichert hatte. War es ein Wunder, daß etwas so Vollkommenes einen bis dahin untadeligen Buchliebhaber veranlaßt hatte, es zu begehren, es zu stehlen und dafür zu morden?
    Endlich blickte Fortunata auf und stellte fest, daß über den Tisch hinweg die Augen des Bischofs auf sie gerichtet waren.
    »Mein Kind«, sagte er, »da hat man Euch ein wirklich kostbares Geschenk gemacht. Wenn Ihr es verkaufen wollt, wird es Euch eine wahrhaft reiche Mitgift einbringen, aber laßt Euch gut beraten, bevor Ihr Euch davon trennt, und verwahrt es sicher. Abt Radulfus würde es gewiß für Euch aufbewahren, wenn Ihr es wünscht, und Euch mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn Ihr mit einem Käufer verhandelt. Allerdings muß ich Euch sagen, daß es im Grunde unmöglich ist, einen angemessenen Preis für etwas zu erzielen, das im Grunde von unschätzbarem Wert ist.«
    »Mylord«, sagte Fortunata, »ich weiß, was ich damit tun will.
    Ich kann es nicht behalten. Es ist wundervoll, und ich werde mich immer daran erinnern und froh sein, daß ich es gesehen habe. Aber solange ich es bei mir behalte, wird es für mich mit bitteren Erinnerungen verbunden sein und mir irgendwie mit einem Makel behaftet vorkommen. Es hätte nie mit etwas Häßlichem in Berührung kommen dürfen. Mir wäre es lieber, wenn Ihr es mitnehmen würdet. In Eurem Kirchenschatz wird es wieder rein und gesegnet sein.«
    »Ich verstehe Euren Widerwillen«, sagte der Bischof sanft, »nach allem, was geschehen ist; Euer Schmerz, daß etwas so Herrliches mißbraucht wurde, ist gerechtfertigt. Aber wenn es wirklich das ist, was Ihr wünscht, dann müßt Ihr mit dem zufrieden sein, was die Bibliothek meiner Diözese Euch für dieses Buch zahlen kann – wobei ich allerdings gestehen muß, daß wir nicht so viel aufbringen können, wie es wert ist.«
    »Nein!« Fortunata schüttelte entschlossen den Kopf. »Geld wurde schon einmal dafür gezahlt, Geld darf nicht ein zweites Mal dafür gezahlt werden. Wenn es so wertvoll ist, daß es keinen Preis hat, dann darf es auch keinen Preis haben. Aber ich kann es verschenken, ohne damit etwas zu verlieren.«
    Roger de Clinton, selbst ein Mann schneller Entschlüsse, erkannte, daß er es hier mit einer nicht minder starken Entschlossenheit zu tun hatte, und was mehr war, er achtete sie und hieß es gut. Doch sein Gewissen veranlaßte ihn, sie rücksichtsvoll zu erinnern: »Der Pilger, der dieses Buch um die halbe Welt bei sich getragen und es
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