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Der Kelte

Der Kelte

Titel: Der Kelte
Autoren: Claire Gavilan
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aber er schrie nicht. Mit einer Mischung aus Resignation und Fassungslosigkeit starrte er auf den Messergriff, der aus seiner Schulter ragte.
    Rose sah mit an, wie Alan das Messer packte, aber Enora hatte jetzt ihre Starre überwunden. Mit zwei langen Schritten war sie bei ihm, stieß seine Hand fort und zog die Klinge aus seinem Fleisch. Er biss die Zähne zusammen. Auf dem hellen Stoff seines Hemdes war das Blut gut zu sehen, das aus seiner Wunde hervorquoll.
    „Ich halte sie auf“, presste Enora zwischen den Zähnen hervor. „Bring du Rose in Sicherheit!“
    Alan zögerte. Das blaue Muster auf seinem Gesicht leuchtete fast ebenso grell wie Branwens bernsteinfarbene Augen, aber als Branwen sich Enora zuwandte, verblasste es. Es schien, als kehre Alan aus einem Albtraum in die Realität zurück. Er blinzelte verwirrt, dann fing er sich.
    „Komm!“ Seine Stimme war heiser. Er langte nach Roses Hand und zerrte sie mit sich.
    Durch das kleine Café zog er sie, hinter den Tresen, dann durch einen Lagerraum und hinaus auf eine Gasse.
    Und noch während die Tür, durch die sie geflohen waren, zuschwang, konnte Rose hören, wie Enora zu Branwen sagte: „Du bleibst hier, Miststück!“
     
    Sie rannten.
    Die Welt flog an Rose vorbei, und nur am Rande registrierte sie das buckelige Kopfsteinpflaster unter ihren Füßen, die Kutschen, die an ihnen vorbeiratterten, die Menschen, den beißenden Gestank nach Pferdeäpfeln, der über der Stadt lag.
    Sie brauchte ihre gesamte Kraft, um Alan zu folgen, der sie quer durch sämtliche Gassen des 7. Arrondissements zu führen schien.
    Endlich, in einem schmutzigen und dämmrigen Hinterhof, blieb er stehen. Er stützte sich mit dem Unterarm an einer Mauer ab und ließ den Kopf hängen. Rose konnte sehen, wie seine Hände zitterten.
    Sie wollte ihn an der Schulter berühren, wagte es jedoch nicht. „Alan“, wisperte sie. Sie wusste nicht, ob sie froh oder beunruhigt sein sollte, dass er bei ihr war. Das blaue Leuchten in seinen Augen und das keltische Muster auf seiner Haut machten ihr Angst, denn sie erinnerte sich ganz genau daran, was es zu bedeuten hatte.
    Tödliche Gefahr.
    Sie trat vor und warf einen Blick in Alans Gesicht. Weder in seinen Augen noch auf seiner Haut war eine Spur von Blau zu sehen. Sie verspürte unendliche Erleichterung.
    „Solange Branwen mit Enora beschäftigt ist, bist du sicher“, sagte er leise. Erst danach hob er den Kopf und sah Rose an. „Glaube ich zumindest.“ Sein Arm lag noch immer an der Wand, und seine Hände zitterten ebenfalls noch immer.
    Rose erbebte unter dem Schmerz in seinem Blick.
    „Deine Schulter“, flüsterte sie. Sein Hemd klebte an der Wunde, und der Blutfleck wurde langsam größer und größer.
    Alan blickte, als bemerke er die Wunde erst in diesem Moment. „Das ist nicht so schlimm!“
    „Nicht so schlimm?“ Seine Worte brachten den Damm zum Einsturz, den Roses Verstand um ihre Gedanken errichtet hatte. Wie eine riesige Woge brach über sie herein, was soeben geschehen war. „Nicht so schlimm?“ Ihre Stimme gellte fassungslos. „Sie hat das Messer einfach in der Luft angehalten! Wie geht das? Was will sie von dir? Was ...“ Sie wollte noch etwas sagen, fand aber keine Worte mehr. „Was hat das alles zu bedeuten, Alan?“, endete sie matt.
    Alan holte tief Luft. Vorsichtig ließ er die Wand los. „Später“, sagte er. „Später erkläre ich dir alles. Aber erst mal müssen wir hier weg. Sonst findet sie uns noch.“
    Rose sah zu, wie Alan zu dem schmalen Durchlass ging, durch den sie diesen Hinterhof betreten hatten. Er prüfte, ob die Luft rein war, dann drehte er sich zu Rose um.
    „Was geschieht mit Enora?“, fragte sie. Der Gedanke, dass Enora in Gefahr sein könnte, schnürte ihr beinahe die Luft ab. „Wie kommt sie hierher? Wie kommen wir beide hierher?“
    Alan schüttelte er den Kopf. „Später“, wiederholte er. Er wies auf den Durchgang, um ihr zu bedeuten, ihm zu folgen. Sie tat es.
    „Um Enora musst du dir keine Sorgen machen“, sagte er, während sie den Hinterhof verließen und sich erneut auf den Weg durch die verwinkelten Gassen des Arrondissements machten. „Sie ist es gewohnt, gegen Branwen zu kämpfen.“
    Warum wunderte sie das nicht?, dachte Rose. Ihr wurde bewusst, dass sie beide barfuß waren – und mit einem Anflug von Ekel schaute sie auf die Pferdeäpfel in der Gosse vor ihren Füßen. Sie bezwang den Ekel. Dann eilte sie Alan hinterher.
     
    Alan führte Rose in die dunkleren
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