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Der Kelte

Der Kelte

Titel: Der Kelte
Autoren: Claire Gavilan
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Raubkatze.
    „Alan!“ Branwens Stimme war leise und schnurrend. „Mein Krieger!“ Mit einer Geste, die sehr zärtlich aussah, hob sie eine Hand in Alans Richtung, die Handfläche nach oben gedreht, die Finger mit den langen, blutroten Nägeln entspannt. Dann streckte sie die Finger mit einer ruckartigen Bewegung.
    Alan keuchte auf und krümmte sich.
    Kraftlos rutschte seine Hand von Roses Rücken.
    „Scheiße!“, fluchte Enora. „Alan, nicht!“
    Rose verstand nicht, was sie damit meinte. Alan trat einen Schritt von ihr weg. Er stand vornübergebeugt und presste wie unter starken Schmerzen eine Hand auf seinen Leib. Mühsam hob er den Kopf. Rose stockte der Atem vor Entsetzen.
    Alans Augen leuchteten jetzt grell blau!
    Hektisch sah Rose sich um, aber es gab keinen Weg zu entkommen. Hinter ihr befand sich die Fensterscheibe, rechts von ihr stand Branwen, deren Lippen sich lautlos bewegten.
    Ein Ruck ging durch Alans Körper. Er richtete sich kerzengerade auf. Das blaue Leuchten breitete sich aus, wanderte über das Weiß des Augapfels und dann aus dem Augenwinkel hinaus und über seine Schläfe und die linke Wange. Ein verschlungenes keltisches Muster, geheimnisvoll und düster.
    „Alan!“, schrie Enora. „Konzentrier dich! Du kannst dich dagegen wehren! Du hast in den letzten Jahrzehnten die Kraft dazu entwickelt!“
    Branwen schien amüsiert. Sie warf Enora einen spöttischen Blick zu, achtete aber nicht weiter auf sie.
    „Los, mein Liebster!“, wisperte sie in Alans Richtung.
    Ihre Stimme schien die Luft mit noch mehr Spannung aufzuladen. Roses Kopfhaut kribbelte.
    Alans Hand bewegte sich wie von selbst zu der Hosentasche seiner Jeans. Ein angestrengter Ausdruck verzerrte sein Gesicht. Schweiß erschien auf seiner Stirn, seine Lippen wurden ganz bleich, als er sie zusammenpresste. Dennoch verschwand seine Hand in der Tasche. Und kam mit einem Springmesser wieder heraus.
    Das Geräusch, mit dem die Klinge hervorschnellte, ließ Roses Herz beinahe stehen bleiben.
    „Rose!“ Enoras Stimme war jetzt leise, dafür aber sehr eindringlich. „Geh weg von ihm!“
    Rose konnte sich nicht rühren.
    Wie hypnotisiert starrte sie auf die schimmernde Klinge in Alans Hand und dachte daran, wie er sie gerade erst mit dem Briefbeschwerer erschlagen hatte.
    „Rose“, zischte Enora. „Wenn du nicht schon wieder sterben willst, dann machst du, was ich sage!“
    Schon wieder sterben?
    Der Boden unter Roses Füßen schwankte. Sie blinzelte. Ganz langsam schob sie ihren Fuß ein wenig nach links. Die Wand war drei, vier Meter entfernt. Sie hatte kaum Bewegungsspielraum. Was sollte sie bloß tun?
    Alans flammend blauer Blick lag auf ihrem Gesicht, und sie sah den brennenden Zorn darin. Nein, mehr noch: Sie sah lodernden Hass. Rose schauderte. Aber dann blickte sie genauer hin und entdeckte hinter dem Hass auch unendliche Traurigkeit und großen Schmerz.
    Alans Hand hob sich zum Wurf, und in diesem Moment wusste Rose, dass Enora recht hatte. Sie würde sterben.
    Schon wieder!
    Der Boden unter ihr schwankte stärker. Wie festgesaugt hing ihr Blick an der Messerspitze.
    Alans Wurfhand zitterte. Die Muskeln an seinem Unterkiefer traten hervor, und Rose konnte in seinen Augen den Kampf sehen, den er ausfocht.
    „Wehr dich nicht gegen mich, Liebster“, wisperte Branwen. „Tu es!“ Ihre Stimme klang leidenschaftlich und rau vor Verlangen.
    Alans Arm schwang zurück.
    Rose wurde es kalt.
    Und dann drang ein langgezogener Schrei über Alans Lippen. Er schrie seine Qual heraus. Und gleichzeitig warf er.
    Doch in der Bewegung wirbelte er herum.
    Das Messer verließ seine Hand, Rose brauchte einen halben Herzschlag lang, bis sie registrierte, dass es nicht auf sie zusauste, sondern auf ...
    ... Branwen!
    Die kreischte überrascht auf.
    Ihre Rechte zuckte hoch vor das Gesicht. Das Messer blieb mitten in der Luft hängen, nur Zentimeter von ihren leuchtenden Augen entfernt. Wie ging das? Roses Verstand registrierte diese Tatsache und weigerte sich gleichzeitig, sie zu akzeptieren.
    „Du Mistkerl!“, zischte Branwen. Ihre Stimme klang jetzt nicht mehr menschlich. Ihre Augen leuchteten so grell, dass es Rose schmerzte, sie anzusehen. Branwen vollführte eine schnelle Bewegung mit der Hand.
    Jemand schrie entsetzt auf. Es war Enora.
    Das Messer drehte sich um hundertachtzig Grad, flog wie von Geisterhand beschleunigt durch den Raum. Und bohrte sich mit einem hässlichen Geräusch in Alans Schulter.
     
    Alan taumelte rückwärts,
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