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Der Kelte

Der Kelte

Titel: Der Kelte
Autoren: Claire Gavilan
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Gassen abseits der großen Straßen, wo die Menschen ärmlicher gekleidet waren und die Häuser so eng standen, dass sie düstere Schatten warfen. Hier fielen sie mit ihrer Aufmachung zwar immer noch auf, aber offenbar waren die Menschen es hier gewohnt, Irren zu begegnen, die sonderbar gekleidet oder gar halbnackt waren. Anders als auf den großen Boulevards schenkte ihnen hier niemand mehr als einen kurzen, desinteressierten Blick. Hier hatten die Menschen genug mit ihrem eigenen Elend zu tun.
    Sie erreichten die verwinkelten Gassen des Quartier Marais, und bei einem zwielichtigen Gasthaus, das am Ende einer Sackgasse stand, blieb Alan schließlich stehen.
    „Das wird gehen“, sagte er wie zu sich selbst. Eine üppige, rosafarbene Wildrose rankte neben der Eingangstür des Gasthauses empor und verströmte ihren betäubenden Duft.
    Unbehaglich sah Rose sich um. Die ganze Gegend machte einen heruntergekommenen, gefährlichen Eindruck. Ein Viertel, in das sie sich allein niemals gewagt hätte. Finstere Gestalten hockten in den Eingängen der umstehenden Häuser. Grell angemalte Frauen, denen auf den ersten Blick anzusehen war, dass sie Huren waren. Und gebückt einherschleichende Kerle, denen die Streitlust aus den trüben Augen leuchtete. Sie erinnerten Rose an Hyänen, die in den Schatten lauerten, um dann gierig über sie herzufallen.
    In ihrem dünnen Nachthemd war ihr schon die ganze Zeit unbehaglich gewesen, aber jetzt fühlte sie sich geradezu entblößt.
    „Was willst du mit diesem Verlierer, Süße?“ Einer der geduckten Kerle war aus den Schatten eines Hauses getreten und kam jetzt direkt auf Rose zu. „Komm doch lieber mit dem guten alten Pierre. So, wie du rumläufst, hast du es bitter nötig, dass sich ein richtiger Mann um dich kümmert!“ Er trug abgerissene, schmutzige Hosen, ein durchlöchertes Hemd und darüber einen langen, schwarzen Mantel, der keinen einzigen Knopf mehr hatte. Eines seiner Augen tränte heftig.
    Bevor Rose den Kerl zurechtweisen konnte, drehte Alan sich zu ihm um. „Besser, du lässt die Dame in Ruhe“, sagte er sehr ruhig.
    Pierre wandte ihm betont langsam den Kopf zu und erstarrte dann.
    In Alans Augen flackerte es blau.
    „Was zum Teufel ...?“, ächzte Pierre und wich einen Schritt zurück. Doch dann fing er sich. Er war es gewohnt zu kämpfen, das konnte man ihm ansehen. Seine Hand glitt in die Manteltasche und kam mit einem Springmesser wieder hervor.
    Das Klicken, mit dem die Klinge hervorschnellte, erinnerte Rose daran, wie Alan sie mit einer ganz ähnlichen Waffe bedroht hatte. Erschrocken sah sie zu, was nun geschah.
    Alan duckte sich leicht. Plötzlich sah er aus wie ein Panther kurz vor dem Sprung. Pierre zögerte kurz, aber dann wurde ihm klar, dass er jetzt keinen Rückzieher mehr machen konnte. Mit einem kraftvollen Satz, den Rose seiner ausgemergelten Gestalt kaum zugetraut hätte, sprang er Alan an.
    Der wich mit einer geschmeidigen Bewegung aus. Er schlug die Messerhand zur Seite, die Waffe flog in hohem Bogen durch die Luft und landete sicher in Alans Hand. Bevor Pierre reagieren konnte, war Alan hinter ihm, hatte ihm einen Arm um den Hals gelegt und die Spitze der Klinge in die weiche Stelle hinter dem Ohrläppchen gedrückt.
    Pierres Augen quollen hervor.
    Rose sah das blaue Leuchten in Alans Augen und gleichzeitig das frische Blut, das durch den kurzen Kampf jetzt noch heftiger aus seiner Wunde sprudelte. Täuschte sie sich, oder war Alans Gesicht bleich hinter dem keltischen Muster auf seiner Schläfe? Auf jeden Fall hob und senkte sich seine Brust mühsam. Lange würde er sich nicht mehr auf den Beinen halten können. Sie sah zu, wie er die Messerspitze fester in Pierres Fleisch drückte.
    Würde er den Mann vor ihren Augen töten? Bei diesem Gedanken drehte sich ihr Magen um.
    „Deine Geldbörse!“, wisperte Alan in Pierres Ohr.
    Pierre stand ganz starr.
    „Mach schon!“ Die Messerspitze verlieh Alans Forderung Nachdruck. Ein schmaler Blutsfaden rann an Pierres Hals nach unten.
    „Schon gut, Mann!“ Mit einer fahrigen Bewegung wedelte Pierre in der Luft herum, dann fasste er in die Hosentasche und holte einen kleinen Lederbeutel heraus. Offenbar war er voller Münzen, den er klimperte leicht, als Pierre ihn hochhob.
    „Wirf ihn der Dame zu!“, befahlt Alan.
    Pierre gehorchte.
    Rose fing den Beutel auf, und im selben Moment stieß Alan Pierre von sich. „Verschwinde von hier!“
    Das ließ sich der Halunke nicht zweimal sagen. Er machte
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