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Der Keller

Der Keller

Titel: Der Keller
Autoren: Richard Laymon
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Morgen«, sagte Donna.
    Das Mädchen lächelte, strich sich eine blonde Locke aus den Augen und streckte sich. »Ich hatte einen Traum.«
    »War es ein schöner Traum?«
    Das Mädchen nickte ernst. »Ich hatte ein ganz weißes Pferd, das war so groß, dass ich nur mit einem Küchenstuhl draufsteigen konnte.«
    »Das ist aber ziemlich groß.«
    »Es war ein Riesenpferd«, sagte sie. »Warum bist du schon auf?«
    »Ich habe mir gedacht, wir könnten unsere Sachen packen, ins Auto steigen und einen Ausflug machen.«
    »Einen Ausflug?«
    »Genau.«
    »Wann?«
    »Jetzt sofort.«
    »Wow!«
    Sie brauchten etwa eine Stunde, um sich zu waschen, anzuziehen und genug Kleidung für eine Woche einzupacken. Während sie ihre Sachen zum Carport hinuntertrugen, musste Donna das heftige Verlangen unterdrücken, Sandy alles zu erzählen, ihr zu sagen, dass sie nie wieder zurückkehren würden, dass sie keine weitere Nacht in ihrem Zimmer und keinen angenehmen Tag mehr am Strand von Sorrento Beach verbringen würden. Und dass sie ihre Schulfreunde nie wieder sehen würde. Trotz ihrer Gewissensbisse schwieg Donna.
    Es war ein verhangener, für Santa Monica typischer Junimorgen. Donna fuhr aus dem Carport und sah sich um. Keine Spur von ihm. Er war gestern Morgen um acht am Busbahnhof von San Rafael abgesetzt worden. Genug Zeit, um ihre Adresse herauszufinden. Aber er war nicht zu sehen.
    »Wo willst du hinfahren?«, fragte sie ihre Tochter.
    »Mir egal.«
    »Nach Norden?«
    »Norden?«, fragte Sandy.
    »Das ist eine Himmelsrichtung. Wie Süden, Osten, Westen …«
    »Mom!«
    »Na ja, da liegt San Francisco. Wir können ja mal gucken, ob sie die große Brücke inzwischen in der richtigen Farbe gestrichen haben. Dann Portland, Seattle, Juneau, Anchorage und der Nordpol.«
    »Können wir in einer Woche da hinfahren?«
    »Wir haben alle Zeit der Welt.« »Was ist mit deiner Arbeit?«
    »Die macht jemand anderes für mich, wenn ich weg bin.«
    »Okay. Dann auf nach Norden.«
    Der Santa Monica und der San Diego Freeway waren so gut wie verlassen. Der alte Ford Maverick machte keine Probleme. »Alles im grünen Bereich?«, fragte Donna.
    »Roger, Big Mama.«
    »Hey! Pass bloß auf!«
    Tief unter ihnen lag das sonnendurchflutete Fernando Valley. Die übliche gelbe Smogglocke war um diese Zeit noch ein kaum wahrnehmbarer, tief hängender Dunst.
    »Aber du brauchst doch einen Codenamen«, sagte Sandy.
    »Wie wär’s mit ›Mom‹?«
    »Langweilig.«
    In der Nähe von Santa Monica hielten sie bei Denny’s Imbiss und bestellten Würstchen und Eier. Donna seufzte auf, als sie den ersten Schluck Kaffee des Tages nahm. Sandy, ein Glas Orangensaft in der Hand, äffte sie nach.
    »Bin ich so schlimm?«
    »Wie wär´s mit ›Kaffee-Mom‹?«, schlug Sandy vor.
    »Vielleicht ›Java-Mama‹. Damit könnte ich leben.«
    »Okay. Von jetzt ab bist du ›Java-Mama‹.«
    »Und du?
    »Du musst mir einen Codenamen geben.«
    »Wie wärs mit ›Goldstück‹?«
    »Mom!« Sandy sah sie erbost an.
    Donna genehmigte sich drei Tassen heißen, schwarzen Kaffee zu ihrem Frühstück. Sie würden innerhalb der nächsten Stunde sowieso noch einmal anhalten, um zu tanken.
    Sobald Sandy aufgegessen hatte, fragte Donna sie, ob sie weiterfahren könnten.
    »Ich muss noch einen Boxenstopp machen«, sagte das Mädchen.
    »Wo hast du denn diesen Ausdruck her?«
    Sandy zuckte grinsend mit den Schultern.
    »Von Onkel Bob, da möchte ich wetten.«
    »Kann sein.«
    »Na gut. ich muss auch einen Boxenstopp machen.«
    Dann machten sie sich wieder auf den Weg. Nördlich von San Luis Obispo hielten sie an einer Chevron-Tankstelle, um den Ford aufzutanken und noch einmal auf die Toilette zu gehen. Zwei Stunden später stoppten sie im von greller Sonne durchfluteten San Joaquin Valley, um sich in einem Drive-In Cola und Cheeseburger zu besorgen. Das Tal schien sich endlos hinzuziehen und erst als sie die Berge im Westen erreicht hatten, wurde die Luft weniger drückend. Kurz darauf konnten sie die Radiosender aus San Francisco empfangen.
    »Sind wir bald da?«, fragte Sandy.
    »Wo?«
    »In San Francisco.«
    »Fast. Noch ungefähr eine Stunde.«
    »So lange noch?«
    »Leider ja.«
    »Werden wir dort übernachten?«
    »Ich glaube nicht. Ich will richtig weit weg, du nicht?«
    »Wie weit?«, fragte Sandy.
    »Zum Nordpol.«
    »Ach, Mom.«
    Es war etwa gegen drei Uhr nachmittags, als sie auf dem Highway 101 San Francisco erreichten. In einer zwielichtigen Ecke verfuhren sie sich, warteten an
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