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Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens
Autoren: Patricia Cornwell
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dies erst kürzlich geschehen war, zumindest innerhalb der letzten vier Tage. Deadoc war ein äußerst gewissenhafter Mensch. Er hatte den Tod mit Liebe und Fürsorge kultiviert. Dennoch lagen zwei zerbrochene Flaschen auf dem Boden, was vielleicht einem infizierten Kaninchen zuzuschreiben war, das irgendwie aus seinem Käfig entwischt und umhergehoppelt war. Mir sah das Ganze nicht nach Selbstmord aus, sondern eher nach einer unvorhergesehenen Katastrophe, die deadoc in die Flucht geschlagen hatte.
    Ohne Hast schaute ich mich weiter um. Ich inspizierte die Küche, in der eine einzelne Schüssel und eine Gabel nach der Abwäsche fein säuberlich auf einem Geschirrhandtuch neben der Spüle zum Trocknen aufgestellt worden waren. In den ebenfalls aufgeräumten Schränken standen in Reih und Glied einfache Gewürze, Cornflakes-Packungen, Reispakete und Gemüsesuppen in Dosen. Im Kühlschrank fand ich Magermilch, Apfelsaft, Zwiebeln und Karotten, aber kein Fleisch. Ich schloß die Tür. Die Sache wurde immer rätselhafter. Wer war er? Was machte er Tag für Tag in seinem Wohnwagen, außer seine Virenbomben herzustellen? Sah er fern? Las er?
    Ich begann in den Schubladen nach Kleidung zu suchen ohne Erfolg. Wenn dieser Mann hier viel Zeit verbracht hatte, warum verwahrte er hier keine Sachen zum Wechseln? Warum keine Fotos und keine persönlichen Erinnerungen? Was war mit Büchern, Versandkatalogen, über die man Vergleichsproben, Gewebekulturen, Referenzmaterial für Infektionskrankheiten bestellen konnte? Und vor allem: Was war mit dem Fahrzeug geschehen, das den Wohnwagen gezogen hatte? Wer hatte es weggefahren und wann?
    Im Schlafzimmer hielt ich mich länger auf. Der Teppich war schwarz vom Blut, das wir beim Abtransport des Leichnams auch in die anderen Räume verteilt hatten. Als ich innehielt, um meine Vierstundenbatterie zu wechseln, konnte ich nichts riechen oder hören außer der Luft, die in meinem Anzug zirkulierte. An diesem Raum wie am Wohnwagen selbst war nichts Besonders. Als ich die blumenbedruckte Tagesdecke zurückzog, entdeckte ich, daß das Kissen und die Laken auf einer Seite zerknautscht waren, als habe jemand darauf geschlafen. Ich fand ein kurzes, graues Haar und sammelte es mit einer Pinzette ein. Die Haare des Toten waren, wie ich mich erinnerte, länger und schwarz gewesen. An der Wand hing ein billiger Druck von einer Strandszene. Ich hängte ihn ab, um nachzuschauen, ob es einen Hinweis darauf gab, wo er gerahmt worden war. Dann nahm ich mir die Zweierbank unter einem Fenster auf der anderen Seite des Bettes vor. Sie war mit leuchtend grünem Vinyl bezogen, und obendrauf stand ein Kaktus, der, abgesehen von dem, was der Käfig, der Inkubator und die Gefrierkartusche enthielten, wohl das einzig Lebendige in dem Wohnwagen war. Ich prüfte die Erde mit dem Finger und stellte fest, daß sie nicht besonders trocken war. Dann stellte ich den Kaktus auf den Teppich und klappte die Bank auf.
    Den Spinnweben und dem Staub nach zu urteilen, hatte schon seit vielen Jahren niemand mehr dort hineingesehen. Ich stieß auf ein Katzenspielzeug aus Gummi, eine verblichene blaue Mütze und eine abgekaute Maiskolbenpfeife. Es kam mir nicht so vor, als gehörte irgend etwas davon der Person, die jetzt hier wohnte, oder als habe sie all diese Dinge überhaupt je bemerkt. Während ich noch überlegte, ob der Wohnwagen gebraucht gekauft oder weitervererbt worden war, ließ ich mich auf Hände und Füße nieder und kroch auf dem Boden umher, bis ich die leere Patronenhülse und den Pfropfen gefunden hatte. Beides tütete ich ein. Als ich in den Laborbereich zurückkehrte, setzte sich Lucy gerade an den Laptop-Computer.
    »Der Bildschirmschoner verlangt ein Paßwort«, sagte sie in ihr sprachgesteuertes Mikrofon.
    »Ich hatte gehofft, daß er es dir nicht allzu leicht machen würde«, sagte ich.
    Sie startete den Computer bereits neu und blieb auf der DOS-Ebene. Wie ich sie kannte, würde sie das Paßwort innerhalb weniger Minuten geknackt haben. Das wäre schließlich nicht das erste Mal.
    »Kay«, ertönte Gallweys Stimme in meinem Helm. »Ich hab' hier draußen etwas Schönes für Sie.«
    Immer darauf achtend, daß der Luftschlauch nirgendwo hängenblieb, ging ich die Treppe hinunter. Er hockte an der Stirnseite des Wohnwagens, neben der Stelle an der Deichsel, wo die Fahrgestellnummer entfernt worden war. Nachdem er das Metall mit feinem Schleifpapier spiegelblank poliert hatte, bestrich er es nun mit einer
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