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Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens
Autoren: Patricia Cornwell
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hauptsächlich aus Diebstahl und Drogenvergehen und zwei Fällen von Nötigung und versuchter Vergewaltigung bestand. Er war auf Bewährung auf freiem Fuß, als er mit seinem Taschenmesser die Wohnwagentür aufgebrochen hatte, und niemand zweifelte daran, daß er ermordet worden war. Um viertel nach acht betrat ich mein Büro. Als Rose mich hörte, kam sie gleich aus ihrem Zimmer.
    »Ich hoffe, Sie konnten sich ein bißchen ausruhen«, sagte sie. Sie machte sich solche Sorgen um mich, wie ich es noch nie bei ihr erlebt hatte.
    »Konnte ich. Danke.« Ich lächelte. Ihre Besorgnis beschämte mich, und ich bekam ein schlechtes Gewissen, als hätte ich irgend etwas angestellt. »Gibt es was Neues?«
    »Nicht, was Tangier betrifft. Versuchen Sie, nicht ständig daran zu denken, Dr. Scarpetta. Wir haben heute morgen fünf Fälle zu bearbeiten. Schauen Sie nur mal auf Ihren Schreibtisch. Falls Sie ihn überhaupt noch finden. Und ich hinke mindestens zwei Wochen mit der Korrespondenz hinterher, weil Sie nicht hier waren und diktiert haben.«
    »Ich weiß, Rose, ich weiß«, sagte ich nicht unfreundlich.
    »Eins nach dem anderen. Versuchen Sie es noch einmal bei Phyllis. Und wenn es dort immer noch heißt, sie sei krankgemeldet, lassen Sie sich eine Nummer geben, unter der sie zu erreichen ist. Ich versuche seit Tagen, sie unter ihrer Privatnummer anzurufen, aber da geht keiner ran.«
    »Soll ich sie durchstellen, wenn ich sie erwische?«
    »Unbedingt«, sagte ich.
    Eine Viertelstunde später, als ich gerade zur Dienstbesprechung gehen wollte, war es soweit. Rose hatte Phyllis Crowder in der Leitung.
    »Wo um alles in der Welt haben Sie gesteckt? Und wie geht es Ihnen?« fragte ich.
    »Diese verdammte Grippe«, sagte sie. »Passen Sie bloß auf, daß Sie die nicht kriegen.«
    »Schon geschehen, und ich bin sie immer noch nicht los«, sagte ich. »Ich hab's bei Ihnen zu Hause in Richmond probiert.«
    »Oh, ich bin bei meiner Mutter in Newport News. Wissen Sie, ich arbeite nur vier Tage die Woche, und die restlichen drei verbringe ich schon seit Jahren hier draußen.«
    Das war mir neu. Aber wir hatten auch nie privat miteinander zu tun gehabt.
    »Phyllis«, sagte ich, »Sie sind krank, und ich belästige Sie schrecklich ungern, aber ich brauche in einem Fall Ihre Hilfe. 1978 hat es in dem Labor im englischen Birmingham, wo Sie früher gearbeitet haben, einen Unfall gegeben. Ich habe schon alles versucht, Näheres darüber in Erfahrung zu bringen, aber bislang weiß ich nur, daß eine medizinische Fotografin, die direkt über dem Pockenlabor arbeitete ...«
    »Ja, ja«, unterbrach sie mich. »Ich weiß alles darüber. Angeblich wurde die Fotografin über einen Belüftungsschacht infiziert und starb. Der Virologe beging Selbstmord. Der Fall wird immer wieder von Leuten angeführt, die für die Vernichtung aller tiefgefrorenen Virenstämme eintreten.«
    »Haben Sie in dem Labor gearbeitet, als das passierte?«
    »Nein, Gott sei dank nicht. Das war ein paar Jahre nach meinem Weggang. Damals war ich bereits in den Staaten.«
    Ich war enttäuscht, und sie bekam einen Hustenanfall und konnte kaum noch sprechen.
    »Verzeihung.« Sie hustete. »In solchen Momenten haßt man das Alleinleben.«
    »Gibt es niemanden, der nach Ihnen sieht?«
    »Nein.«
    »Haben Sie zu essen?« »Ich komm' schon klar.«
    »Wissen Sie was? Ich bringe Ihnen was vorbei«, sagte ich.
    »Kommt gar nicht in Frage.«
    »Ich helfe Ihnen, wenn Sie mir helfen«, fügte ich hinzu. »Haben Sie irgendwelche Unterlagen über Birmingham? Darüber, woran dort zu Ihrer Zeit gearbeitet wurde? Können Sie das irgendwo nachschlagen?«
    »Hab' ich bestimmt hier irgendwo im Haus vergraben«, sagte sie.
    »Graben Sie sie aus, und ich bringe Eintopf mit.«
    Fünf Minuten später war ich schon aus der Tür und lief zu meinem Wagen. Ich fuhr nach Hause, holte mehrere Portionen meines selbstgekochten Eintopfs aus dem Gefrierschrank und tankte den Wagen auf, bevor ich auf der 64 Richtung Osten fuhr. Per Autotelefon gab ich Marino Bescheid.
    »Jetzt sind Sie aber wirklich übergeschnappt«, rief er aus.
    »Hundert Meilen Autofahrt, um jemandem Essen zu bringen? Sie hätten doch was beim Pizzaservice bestellen können.«
    »Darum geht es nicht. Ich hab' mir schon was dabei gedacht, das können Sie mir glauben.« Ich setzte meine Sonnenbrille auf. »Vielleicht kommt ja etwas dabei raus. Möglicherweise weiß sie etwas, das uns weiterhilft.«
    »Na gut, halten Sie mich auf dem
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