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Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens
Autoren: Patricia Cornwell
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Gallwey in den für Männer. Wir entkleideten uns, zogen die vom Institut gestellten armeegrünen Sachen an und darüber Schutzanzüge im Tarnmuster mit Helmen und Schutzbrillen, dicken schwarzen Gummihandschuhen und Stiefeln. Wie die blauen Anzüge bei den CDC und dem USAMRIID wurden auch diese in der Testkammer, die hier vom Boden bis zur Decke aus Edelstahl bestand, an Luftschläuche angeschlossen. In diesem vollkommen geschlossenen, mit doppelten Kohlefiltern ausgestatteten System konnten kontaminierte Fahrzeuge, zum Beispiel Panzer, mit Chemikalien und Dämpfen bombardiert werden. Man versicherte uns, wir könnten hier so lange arbeiten, wie wir müßten, ohne andere zu gefährden.
    Vielleicht war es sogar möglich, ein paar Beweisstücke zu dekontaminieren und aufzubewahren. Aber das war schwer zu sagen. Keiner von uns hatte je an so einem Fall gearbeitet. Als erstes öffneten wir die Tür des Wohnwagens, arretierten sie und arrangierten ein paar Scheinwerfer so, daß sie das Innere ausleuchteten. Es war ein komisches Gefühl, sich hier hin und her zu bewegen. Der Stahlfußboden wellte sich beim Gehen so geräuschvoll wie ein Sägeblatt. Über uns saß ein Wissenschaftler der Army hinter Glas in einem Kontrollraum und überwachte alles, was wir taten.
    Wieder ging ich als erste hinein, denn ich wollte den Tatort gründlich inspizieren. Gallwey fing an, die Werkzeugspuren an der Tür zu fotografieren und sie nach Fingerabdrücken abzupinseln, während ich hineinkletterte und mich umschaute, als sähe ich alles zum erstenmal. Der kleine Wohnbereich, der normalerweise ein Sofa und einen Tisch enthalten hätte, war leergeräumt und in ein erstklassig ausgestattetes Labor verwandelt worden. Die Geräte waren nicht neu, aber auch nicht billig.
    Das Kaninchen lebte noch. Ich fütterte es und stellte seinen Käfig auf eine sorgfältig aus Sperrholz gezimmerte und schwarz lackierte Arbeitsplatte. Darunter stand ein Kühlschrank, in dem ich Vero-Zellen und Fibroblastenzellen aus dem Lungengewebe menschlicher Embryos fand. Das sind Gewebekulturen, die gewöhnlich zur Ernährung von Pockenviren verwendet werden, was etwa mit dem Düngen von Pflanzen zu vergleichen ist. Um diese Kulturen am Leben zu erhalten, besaß der irrsinnige Züchter in seinem mobilen Labor einen üppigen Vorrat an Eagle-Nährsubstrat, das zu zehn Prozent mit dem Serum aus Kalbsföten angereichert war. Daraus und aus der Anwesenheit des Kaninchens schloß ich, daß deadoc mehr tat, als das Virus nur am Leben zu erhalten - er war noch dabeigewesen, es heranzuzüchten, als die Katastrophe eintrat.
    Er hatte das Virus in einer Flüssigstickstoff-Gefrierkartusche gelagert, die keinen Strom brauchte, sondern nur alle paar Monate aufgefüllt werden mußte. Sie sah aus wie eine Vierzig-Liter Thermosflasche aus Edelstahl, und als ich den Deckel abschraubte, fand ich sieben Kryoröhrchen, die so alt waren, daß sie nicht aus Plastik, sondern noch aus Glas bestanden. Die Codes darauf, die Auskunft über die Identität der Krankheit hätten geben sollen, waren mir völlig unbekannt. Doch ich entzifferte die Jahresangabe 1978 und als Ort Birmingham, England - winzige Kürzel in schwarzer Tinte, fein säuberlich in Kleinbuchstaben geschrieben. Ich steckte die Röhrchen mit ihrem entsetzlichen lebendigen Inhalt wieder in die Kälte zurück und stöberte weiter herum. Bald hatte ich zwanzig Dosen Vita-Gesichtsspray unterschiedlicher Größe und Tuberkulinspritzen gefunden, die der Killer zweifelsohne dazu benutzt hatte, die Krankheit in die Spraydosen zu injizieren.
    Natürlich waren auch Pipetten und Gummiballons, Petrischalen und Kulturflaschen mit Schraubdeckeln vorhanden, in denen das Virus herangezüchtet wurde. Das Nährsubstrat darin war rosa. Wenn es blaßgelb wird, bedeutet das, daß der pH-Wert aufgrund von Abfallprodukten eine saure Reaktion anzeigt. Das wiederum wäre ein Indiz dafür gewesen, daß die mit Viren vollgestopften Zellen bereits seit geraumer Zeit nicht mehr in nährstoffreicher Gewebekultur baden konnten.
    Ich hatte noch genug von meinem Medizinstudium und meiner Ausbildung zur Gerichtsmedizinerin in Erinnerung, um zu wissen, daß bei der Züchtung eines Virus die Zellen ernährt werden müssen. Diese Aufgabe erfüllte das rosafarbene Kulturmedium, das alle paar Tage, wenn Abfallprodukte an die Stelle der Nährstoffe getreten waren, mit einer Pipette abgesaugt werden mußte. Da das Medium immer noch rosa war, konnte man davon ausgehen, daß
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