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Der Kater läßt das Mausen nicht

Der Kater läßt das Mausen nicht

Titel: Der Kater läßt das Mausen nicht
Autoren: Charlotte MacLeod
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war der Meinung, daß die
ganze Angelegenheit unaussprechlich traurig sei, daß man jedoch sicher absolut
nichts mehr daran ändern konnte. Dr. Melchett, dessen Ehefrau zur Zeit damit
beschäftigt war, ein Essen für die freiwilligen Krankenhaushelfer zu
organisieren, bei dem Mrs. Pommell als Ehrengast vorgesehen war, teilte
selbstverständlich ihre Meinung.
    Mrs. Lomax übergab Harry Goulson
feierlich das Haarteil, denn sie wußte sehr wohl, daß Professor Ungley nichts
mehr gehaßt hätte, als tot ohne Toupet aufgefunden zu werden, ganz
gleichgültig, wie die Umstände auch aussehen mochten. Dann ging sie nach Hause,
um das Frühstücksgeschirr abzuwaschen und nachzudenken.
    Sie brauchte nicht lange nachzudenken.
Der Spazierstock mußte in die Wohnung des Professors zurückgebracht werden, und
das Glas Milch auf dem Abtropfbrett wurde sicher auch langsam sauer. Die jetzt
mieterlose Hauswirtin nahm also ihre eigenen Schlüssel und begab sich nach
unten, um Ordnung zu schaffen. Der Professor hatte, soweit sie wußte, zu
Lebzeiten niemals zu irgendwelchen Verwandten Kontakt gehabt, doch Betsy Lomax
kannte die Menschen. Wenn sich die Nachricht von seinem Tod erst einmal
verbreitete, würden sie bestimmt aus allen Löchern herbeigekrochen kommen, um
herauszufinden, ob es für sie etwas zu holen gab. Sie verspürte wirklich
keinerlei Bedürfnis, plötzlich einem lange vermißten Ungley gegenüberzustehen,
der möglicherweise behauptete, daß Betsy Elizabeth Swope Lomax für ihren Mieter
nicht gut genug gesorgt hatte.
    Als sie in dem Zimmer herumwerkelte,
hier und da ein Stäubchen abwischte und die Schonbezüge zurechtzupfte, erkannte
sie allmählich, daß hier nicht alles genauso war, wie es hätte sein sollen.
Professor Ungley war zwar sehr faul, doch er war äußerst pingelig, was seine
Wohnung betraf. Er bestand beispielsweise darauf, daß seine Sofakissen, drei
steinharte Vierecke in einem besonders widerlichen Grünton, auf eine ganz
bestimmte Weise und nicht anders arrangiert wurden: zwei an den Seiten und
eines haargenau in der Mitte des Sofas, wobei alle auf einer Spitze zu
balancieren hatten und nicht etwa flach aufliegen durften.
    Mrs. Lomax hatte zwar nie verstanden,
warum es von Bedeutung war, wie sie die Kissen drapierte, da ihr Mieter kaum
einen Fuß in sein Wohnzimmer setzte — außer an den Putztagen, um sich über
Unkorrektheiten zu beschweren, doch sie hatte sich stets die endlosen
Meckereien über ihre Verfehlungen anhören müssen, wenn sie nach dem Staubsaugen
der Möbel irgend etwas nicht genauso arrangiert hatte, wie er es sich
vorstellte, so daß sie mit der Zeit gelernt hatte, es ihm recht zu machen und
die Predigt zu vermeiden. Heute jedoch lagen die Kissen flach auf dem Sofa. Das
mittlere Kissen befand sich nicht genau in der Mitte, und das Sitzpolster war
eine Idee zu weit nach vorn gerutscht, ganz so, als ob jemand dahinter etwas
gesucht hätte.
    Es mochte natürlich vorkommen, daß
Menschen hinter Sofakissen nach etwas suchten. Sie selbst tat dies oft genug.
Edmund machte es nämlich immer einen Heidenspaß, ihren Fingerhut, ihre
Lesebrille oder irgendeinen anderen kleinen Gegenstand, den sie im Moment
dringend brauchte, in eines dieser Verstecke zu bugsieren. Warum aber sollte
Professor Ungley an dieser Stelle etwas verloren haben? Sie wagte sogar zu
bezweifeln, daß er seit seinem Einzug jemals auch nur auf dem Sofa gesessen
hatte. Gäste empfing er niemals, es gab demnach auch keine Gelegenheit für
einen Gast, hier etwas in Unordnung zu bringen. Jedenfalls nicht für einen
geladenen Gast.
    Der Professor hatte den Großteil seiner
Zeit in dem Raum verbracht, den er als sein Studierzimmer bezeichnete,
ausgestreckt in einem dieser bequemen Sessel mit verstellbarer Rückenlehne und
Fußstütze. Das war sicher die richtige Stelle, um nach etwas zu suchen. Bereits
an der Tür blieb Mrs. Lomax jedoch wieder stehen, weil ihr geübtes Auge weitere
Unstimmigkeiten entdeckt hatte. »Das sieht ja selbst ein Blinder mit
Krückstock«, informierte sie Edmund, der mitgekommen war, um ihr Gesellschaft
zu leisten, »hier hat eindeutig jemand herumgeschnüffelt.«
    Bücher, die auf den Regalen so
schnurgerade aufgereiht gewesen waren, als hätte sie jemand mit Hilfe eines
Lineals aufgestellt, und die seit Professor Ungleys Rückzug aus dem
Arbeitsleben sicher keiner heruntergenommen hatte, standen jetzt zweifellos
nicht mehr in Reih und Glied. Eine Schreibtischschublade war nicht ganz
geschlossen. Als
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