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Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte
Autoren: Robert Schindel
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einzureden.
    Beide trafen sich, wenn es ging, stets donnerstags. Auf sein
Begehr hin waren sie diesmal zum Heiner gegangen, sonst begnügten sie sich mit der Aida gleich am Stock-im-Eisen-Platz.
    Apolloner wusste nicht, warum er ihnen gefolgt ist. Als sie in der Konditorei verschwanden, zögerte er, hernach ging er hinein und kaufte sich einen Pariser Spitz. Wieder auf der Straße, aß er ihn auf, spürte dabei den Zahn, ging runter zum Prückel und hatte daher keine Ahnung, worüber die beiden geredet haben. Er trank dort Kaffee, und Judith Zischka kam dazu. Apolloner mochte sie nicht besonders, hob sein Gesicht zu ihr, als sie an der Tischkante stand, deutete auf den Sessel gegenüber, suchte für Die Presse, aus der er eben zu lesen begonnen hatte, einen Platz auf dem Tisch zum Ablegen und fragte sie, daweil er sich wunderte, wie prompt Judiths notorische Hektik sofort auf ihn überspringen konnte, ob es ihr besser gehe.
    »Ach was«, sagte sie, packte ihren Aktenkoffer, den sie als Handtasche trug, auf Die Presse drauf und setzte sich gegenüber hin. Roman lächelte ihr ins Gesicht, stand auf, nahm den Aktenkoffer von der Presse herunter, bugsierte ihn neben ihren Sessel und trug Die Presse zur Zeitungsablage, drehte sich am Absatz, um wieder seinen Platz einzunehmen. Judith hatte inzwischen ihren Mantel ausgezogen und ihn zwischen ihrem gekrümmten Rücken und der Lehne des Sessels eingeklemmt, sie wedelte die polnische Garderobefrau mit unwirschem Gesicht fort, langte zu Romans Zigaretten, als er sich wieder niederließ.
    »Ach was«, wiederholte sie, »er ist halt ein Arsch, und damit hat sichs.«
    »Er soll aber sehr gut sein«, erwiderte Roman, obwohl er eigentlich nicht über Karl Fraul mit ihr reden wollte.
    »Bei Macbeth?«
    »Sicher. Was gibts sonst?«
    »Sag, Apolloner, woher weißt du das?« Er antwortete ihr nicht, sah sich im Raum um, winkte der berühmten Schriftstellerin Paula Williams fröhlich zu, die diesen Gruß trotz seines großflächigen Gewachels nicht bemerkte.
    Judith drehte sich um und lachte hernach: »Das Gefuchtel wird dir nichts nützen. Sie ist ein bisschen kurzsichtig. Willst du was von ihr?«
    »Grüßen.«
    »Also, woher weißt du das?«
    »Man raunt, er sei sensationell.«
    »Raunt er das selber?« Roman zuckte die Achseln.
    »Jedenfalls kann ich dir zuflüstern, der wird das Ereignis des Herbstes.«
    »So«, machte sie, um gleichfalls mit den Achseln zu zucken. »Ich krieg die Premiere eh nicht.«
    »Vielleicht wird die Gartner krank.«
    »Die und krank. Die schreibt noch darüber, auch wenn sie während der Premiere in Vollnarkose liegt.« Zischka schaute Apolloner aufmerksam an. Wie ich diese ehrgeizigen Jungjournalisten liebe, dachte er. Sie durchsuchte mein Gesicht nach irgendeinem Winkelzug, und sie hätte meine Gedanken auch erraten, wenn ihre Sensibilität nicht mit so einer robusten Ignoranzschicht überzogen wäre. Ihr Kaffee kam, und plötzlich grüßte ihn die Williams, sodass er rasch seinen Mund breit machte und zurückgrüßte.
    »Der Paul Hirschfeld«, sagte er zu ihrem Hinterkopf, denn Judith hatte sich nochmals umgedreht, um der Williams zuzulächeln, »ist doch sein väterlicher Freund. Vielleicht vermittelt er dir was.«
    »Du meinst, ich soll von dem Arsch ein Porträt machen? Im Vorfeld?«
    »Im Vorfeld, genau.«
    »Ach, du spinnst. Du glaubst, ich hab keinen Stolz.«
    »So viel wie er. Aber das ist deine Sache.« Roman begann sich über sich selbst zu ärgern. Immer bin ich so ein Trottel, dachte er. Doch er war eben froh, mit Kultur nichts mehr zu tun zu haben. Seit er sich mit Zeitgeschichte befasste, war er ruhiger geworden. Ich brauch nicht mehr so zu hecheln und zu springen. Jetzt spring du, dachte er und lächelte in sich hinein und führte den Kaffee an seinen Mund.
    »Na ja«, sagte Judith gedehnt, und Roman musste auf ihre Halspartie schauen, die plötzlich geschmeidig aussah und angenehm schimmerte. »Gibst du mir die Nummer vom Hirschfeld?« Er seufzte und gab sie ihr. Sie stand auf, zahlte und ging. Apolloner wollte sich Die Presse zurückholen, doch die war inzwischen fortgetragen.
     
    »Freut mich so, Karel, dass die Proben erfolgreich sind.«
    »Das sind sie. Das sind sie wirklich. Die Astrid von Gehlen, weißt du, das ist die, die die Lady Macbeth gibt, die hat so ein wildes Gesicht, Mama, sie ist enorm. Sie trägt mich, es ist phantastisch.«
    »Habt ihr denn überhaupt so viele Szenen miteinander?«
    »Ah, du hast es schon gelesen. Das
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