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Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte
Autoren: Robert Schindel
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Kaffee angeboten, die Lehrer saßen um den mit uralten Utensilien zugedeckten Tisch, sprachen alle zugleich, um in dem Moment, in dem er sich räusperte, in ein Schweigen zu verfallen. Weissenberger, der Deutsch- und Geschichtelehrer, der Fraul eingeladen hatte, stand nun auf, beugte sich vor und sagte:
    »Wie wir uns alle freuen, Herr Fraul, dass Sie den Weg zu uns gefunden haben.« Während Fraul ihm sein rechtes Ohr hinhielt, um sich die Begrüßung anzuhören, erhoben sich auf der anderen Seite des Tisches zwei Gestalten, die eine schwarze Uniform anhatten. Er schaute erstaunt in diese Richtung, um dem Unheil direkt ins Gesicht sehen zu können. Dort saßen zwei Junglehrer, die ihn, wie sie wohl glaubten, unauffällig beglotzten. Wie von Ferne drang ein blubberndes Geräusch zu ihm hin, doch bevor er diesem nachlauschen konnte, war es verschwunden. Weissenberger verneigte sich und blickte erwartungsvoll zu Fraul. Der Kaffee wurde gebracht.
    »Zucker?«
    »Danke.«
    »Danke ja?«
    »Danke nein. Wie viele Schüler sind versammelt, Herr Weissenberger?«
    »Drei Sechste, eine Siebente. An die hundert. Im Festsaal.«
    »Im Festsaal. Dann wollen wir wohl.«
    »Ich selbst darf mich entschuldigen. Herr Wolfsgang und Herr Schmidt werden Sie begleiten, Herr Wolfsgang wird auch einleiten.«
    Die beiden Junglehrer erhoben sich. Fraul stand ebenfalls auf, nahm im Stehen noch die Kaffeetasse, nippte, stellte sie nieder und drehte sich zwischen Tisch und Sessel heraus, um mit den beiden das Professorenzimmer zu verlassen.
    »Wer von Ihnen ist Herr Schmidt?«
    Der Betroffene gab sich zu erkennen, sodass Fraul neben diesem auf den Gang trat. Der andere wollte auch neben Fraul gehen und versuchte also mittels schnellen Schritten ihn in die Mitte zu bekommen, während die drei zu den Stufen gingen. Fraul verstellte dem anderen den Weg, sodass Schmidt in der Mitte blieb und der andere sich links von Schmidt dazugesellte und sie so die Stufen und Stiegen zum Festsaal emporstiegen.
     
    (Aus dem Tagebuch des jungen Keyntz)
11. 11. 1985
    Klar hatte die Dolly den Judenstern auf einem ausgeschnittenen blauen Pulli liegen. Seit Tagen schaut sie mich nicht an, immer mit dem Tschurtschi. Wieso sie grad auf den abfährt, obwohl sie doch geburtsmäßig zum Lager der guten Menschen gehört, während der Tschurtschi wohl damals in der Uniform sich wichtig gemacht hätte. Wir saßen da im Festsaal herum und warteten auf das Auschwitzopfer.
Der Weisse hatte uns noch Verhaltensregeln eingebläut, damit wir den Alten nicht ärgern. Wir sollen vor allem nicht unnötig lachen, denn da gäbe es gar nichts zu lachen. Weisse war lächerlich wie immer.
     
    Fraul betrat mit den Junglehrern den Festsaal. Es wurde ganz still, die Jugend betrachtete ihn etwas verhohlen. Während Schmidt die schweigende Menge um Ruhe bat, zog Wolfsgang Papiere aus dem Sakko und begann den Lebenslauf des Edmund Fraul aufzusagen. Fraul stand neben ihm, schaute ihm ins Ohr und überlegte, ob der Mensch und in welcher Weise mit seinem damaligen Turnlehrer verwandt war. Plötzlich saß auch Wolfsgang vor ihm, und Fraul hatte das Wort. Mit Blick auf Wolfsgang begann er und sagte:
    »Ich möchte, dass ihr alle nicht vergesst, was ich euch erzähle, denn ich erzähle euch das, was ich selbst niemals vergessen kann.«
    10.
    Was ist denn jetzt schon wieder los. Mutter ist aus dem Häuschen. Stefan ist gestern um eins nach Haus gekommen, betrunken. Jetzt soll ich ran? Was hat sie ihm immer alles durchgehen lassen. Ich sollte mich für den Turnus im Rudolfspital vorbereiten, stattdessen zerren sie alle an mir rum. Ich rufe Karel an, bevor er zur Probe geht.
    Das ist heute mein Tag. Karel hängt mir ein Maul an, weil ich ihn zu spät geweckt hatte. Herrgott, bin ich denn der Wurschtl für alle. Der kann mich mal. Das Telefon.
    »Margit Keyntz?
    –
    Was willst du?
    –
    Auf keinen Fall.
    –
    Warum kannst du nicht selbst dort anrufen und dich entschuldigen, was hast du überhaupt?
    –
    Karel! Sei nicht so feig. Geh einfach noch hin.
    –
    Ach, der Stefan spinnt, meine Mutter ist hysterisch, du bist auch nicht grad …
    –
    Schon gut.
    –
    Schon gut.
    –
    Hab dich nicht so wegen dieser Zicke.
    –
    Ist gut, Herr Fraul. Kommst du nach der Probe gleich in die Schleifmühle?
    –
    Dem Stefan was sagen. Auf dich hört er.
    –
    Jaja, gestern war dein Vater in seiner Schule.
    –
    Warum soll das damit zu tun haben?
    –
    Ich küsse dich auch.«
     
    Als ich schließlich in die
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