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Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Titel: Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum
Autoren: Oliver Bottini
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kannte ihn, hatte den Namen jedoch vergessen, ein Serbe aus der Krajina.
    Sie blieben stehen.
    »Wieder da?«, fragte der Mann.
    »Nur für ein paar Tage«, erwiderte Thomas.
    Jetzt fiel ihm der Vorname ein, Veselin.
    »Wir haben einiges gelesen über dich in letzter Zeit.«
    Thomas nickte. Der Artikel mit seinem Namen, dem Foto aus Zadolje.
    Anfang der Woche hatten andere Zeitungen die Meldung aufgegriffen. Deutsche und kroatische Journalisten hatten in Hamburg angerufen, Jelena hatte sie abgewimmelt. Lorenz Adamek hatte ihn gedrängt, sich einen Rechtsanwalt zu nehmen. Auch wenn er selbst von seiner Unschuld überzeugt sei, würden kroatische und deutsche Behörden den Fall aufgreifen. Das Foto, die schweren Anschuldigungen – die Staatsanwaltschaften müssten dem nachgehen.
    Es würde noch eine Weile dauern, bis auch er zur Normalität zurückkehren konnte.
    »Alles Lügen«, sagte er.
    Veselin nickte. »Es werden viele Lügen über dich verbreitet. Dass du ein Held bist, zum Beispiel.«
    »Ein Held?« Thomas lächelte. »Ich bin kein Held.«
    »Nein«, sagte Veselin.
    Thomas dachte daran, dass Veselin einen Sohn hatte, der damals vier oder fünf Jahre alt gewesen war. Jelena hatte abends manchmal auf ihn aufgepasst, auf ihn und einen anderen Jungen, der keine Eltern mehr gehabt hatte. Einen Neffen von Veselin.
    Sava und Vlad.
    »Du bist kein Held, sondern ein Feigling und ein Mörder.«
    Thomas schwieg.
    »Du warst mit deinem Regiment in Benkovac und Ervenik, richtig?«
    »Ja.«
    »Ich hatte dort Verwandte. Hast du sie umgebracht? Abgeschlachtet wie die Leute in Zadolje?«
    »Nein.«
    »Glaub nicht, dass du davonkommst, Ćavar«, sagte Veselin.
    Im selben Moment hörte Thomas Geräusche hinter sich. Bevor er sich umdrehen konnte, fuhr ihm ein kalter Schmerz in den Hals. Er hob die Hände, legte sie auf den Schmerz, alles war plötzlich nass, die Hände, die Unterarme, die Brust, und er dachte eben, dass er Veselin bitten sollte, ihm zu helfen, etwas stimmte da nicht, als zwischen ihm und Veselin ein Gesicht auftauchte, das er ebenfalls kannte, das war der kleine Sava, der jetzt erwachsen war, und er flüsterte: »Sava«, und dann kam der Schmerz auch von vorn, und so stachen sie auf ihn ein, der eine von hinten, der andere von vorn, bis er fiel, und das Letzte, woran er dachte, war ein Name, aber er hatte vergessen, wie der Name lautete, und so versuchte er, sich daran zu erinnern, während er starb, es war ein wichtiger Name, der wichtigste von allen.

59
    SAMSTAG, 16. APRIL 2011
    BERLIN
    Der Winter war erträglich gewesen. Der Sommer begann früh. Adamek fuhr mit dem Fahrrad von Mitte nach Charlottenburg.
    Sie sahen sich mittlerweile oft, fast jede Woche. Der Tod von Thomas Ćavar hatte sie einander nähergebracht.
    Zum ersten Mal hatten sie Weihnachten zusammen gefeiert. Der Onkel war ein Fan von Karolin, die ihn, wie er zugegeben hatte, ein ganz klein wenig an Margaret erinnere.
    Ihr solltet endlich heiraten!
    Wir haben erst neulich darüber gesprochen, hatte Karolin erwidert.
    Und?
    Es steht auf jeden Fall bald an, oder, Lorenz?
    Adamek bremste an einer Ampel. Natürlich würden sie nie heiraten, weder in Istanbul, noch auf Capri, noch in Berlin-Mitte. Zwei, drei Zellen in ihren Köpfen wussten, dass sie nicht wirklich füreinander bestimmt waren, und würden das Notwendige veranlassen, ausreichend hohe Hindernisse finden.
    Am Ende würden sie in Freundschaft auseinandergehen.
    Er fuhr weiter.
    Auch an Silvester hatten sie den Onkel geholt. Hatten ihm das Feuerwerk aus dem 24. Stock vorgeführt, er hatte sich gefreut wie ein Kind.
    An seinem Geburtstag im März waren sie mit ihm auf den Fernsehturm gefahren.
    Da drüben müsste Friedrichshain sein, oder?
    Ja, links von der Oberbaumbrücke.
    Als würde auf der Brücke ein Schild stehen, Lorenz.
    Die mit den Türmen.
    Adamek hatte das Heim erreicht, schloss das Fahrrad ans Gestell.
    »Er ist im Park«, sagte der Pförtner. »Er hat Besuch.«
    » Ich bin der Besuch.«
    »Ist schon jemand da.«
    Sie hatten am Abend zuvor telefoniert, Ehringer hatte nichts erwähnt. Vielleicht hatte er es vergessen, er war aufgeregt gewesen.
    Hast du es mitbekommen?
    Ja.
    Und? Was sagst du?
    Was soll ich sagen? Hertha steigt hoffentlich auf.
    Vierundzwanzig Jahre, meine Güte!
    In Den Haag war das Urteil verkündet worden, vier Monate später als geplant. Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien hatte den früheren kroatischen General Ante Gotovina
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