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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
Autoren: Bernd Stöver
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Antagonismus der Supermächte. Aus den Anfängen der Entspannungspolitik in Berlin ab 1963 wurde am Ende des Jahrzehnts die bundesrepublikanische Ostpolitik, die bezeichnenderweise gegen amerikanische Widerstände und Mißtrauen im Ostblock durchgesetzt werden mußte. Ähnliche Subsysteme des Kalten Krieges mit spezifischen Interessenlagen jenseits der großen Blöcke waren auch innerhalb der organisierten Dritten Welt auszumachen. Hier konnte man zum Beispiel zwischen Staaten mit Atomwaffenbesitz und entsprechend offensiver Außenpolitik und Staaten ohne Zugang zu Nuklearwaffen oder zwischen Ländern mit wichtigen Rohstoffvorkommen und solchen ohne Ressourcen unterscheiden. Daß darüber hinaus ethnisch-religiöse Gegensätze, die an sich wenig mit den Fronten des globalen Konflikts zu tun hatten, den Kalten Krieg nachhaltig beeinflußten, zeigte der über Jahrzehnte geführte Sonderkonflikt zwischen dem mehrheitlich hinduistischen Indien und dem islamischen Pakistan. Überdies kann man die politischen Interessen und Aktivitäten einiger weltweit organisierter Religionsgemeinschaften als nationale oder transnationale Subsysteme des Kalten Krieges begreifen. Zwar ordneten sich einige Religionen oder Konfessionen seit dem Beginn des Konflikts offiziell einer Seite zu, so etwa der Vatikan. Darüber hinaus gab es allerdings eine Vielzahl von Versuchen von Religionsgemeinschaften, jenseits der politischen Blockinteressen zu arbeiten. Dazu gehörten in Teilen zum Beispiel die Kirchen im geteilten Deutschland, die sich auf beiden Seiten etwa für die Abrüstung engagierten. Jenseits der Blöcke arbeiteten aber auch die radikalethischen katholischen «Befreiungskirchen» in der Dritten Welt und seit den siebziger Jahren zunehmend auch der Islam. 31 Seit 1979 entzog sich der iranische «Gottesstaat» zunächst allen internationalen Beziehungen und versuchte erst nach dem Ende des Kalten Krieges, sie wieder aufzubauen.
    Nicht zuletzt kann man auch private Organisationen als nationale oder supranationale Subsysteme des Kalten Krieges verstehen. 32 Dazu gehörten politische Pressure Groups, so zum Beispiel das amerikanische Committee on the Present Danger, aber auch zahlreiche Lobby-Gruppen, die sich speziell für die Interessen der «Dritten Welt» einsetzten. Zu ihnen lassen sich auch die im engeren Sinn als Non-Governmental Organization (NGO) tätigen Verbände rechnen, über die während des Kalten Krieges die Industriestaaten bis zu sechzig Prozent ihrer Entwicklungshilfe abwickelten, aber auch die nicht staatlich gebundenen und zum Teil illegal tätigen internationalen Menschenrechts-, Umwelt- oder «Befreiungsorganisationen». So entwickelten sich zum Beispiel Amnesty International oder auch Greenpeace zeitweilig zu wirksamen Gewichten gegen Blockinteressen. Wie störend etwa die Umweltorganisation Greenpeace für die französische Regierung war, zeigte sich am 10.Juli 1985, als das Schiff Rainbow Warrior nach Demonstrationen gegen Nukleartests im Bereich des Mururoa-Atolls vom französischen Geheimdienst versenkt wurde.
    (5) Ganzheitlichkeit des Kalten Krieges. Der Kalte Krieg wurde global, gleichzeitig aber regional und lokal geführt und er reichte bis in die persönlichen Biographien. Er hatte deutliche Zentren und Peripherien. Das Problem ist daher, einerseits alles zu erfassen, was dazu gehört, andererseits keine künstlichen Verbindungen zu suggerieren. Bestimmte politische, ökonomische, soziale oder kulturelle Entwicklungen gehörten eher entfernter zum Kalten Krieg oder partizipierten nur partiell an ihm. Mit Recht ist zu fragen, in welcher Weise etwa die «Kleinen Kriege» in der Dritten Welt zum Blockkonflikt gehörten.
    Ein Beispiel wie der seit 1977/78 und über das Ende des Kalten Krieges andauernde Konflikt zwischen Somalia und Äthiopien um die ostafrikanische Region Ogaden kann die teilweise verdeckten Beziehungen deutlich machen. Daß dieser an sich regionale Krieg inhaltlich eigentlich wenig mit der globalen Auseinandersetzung zu tun hatte, da er im Kern ein innerafrikanischer, teilweise lediglich ein Konflikt der rivalisierenden Clans war, der nur temporär an den Ressourcen des Kalten Krieges partizipiert hatte, zeigte sich, als er sich auch nach 1991 nicht beenden ließ. Daß der Konflikt viel mit dem Kalten Krieg zu tun hatte, demonstrierte das hohe Engagement der Supermächte und seine Folgen. Die Entspannungspolitik wurde «im Wüstensand von Ogaden begraben», wie der Sicherheitsberater
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