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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
Autoren: Bernd Stöver
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Präsident Carters, Zbigniew Brzezinski, später in seinen Memoiren feststellte. 33
    (6) Differenzierung und Pluralität der Geschichte des Kalten Krieges. Es liegt auf der Hand, daß ein global geführter Konflikt, der fast alle Staaten der Welt einbezog, nicht aus der Perspektive eines Beteiligten geschrieben werden kann. So unterschiedlich wie die Orte des Kalten Krieges ist notwendigerweise auch die kollektive und individuelle Verortung im Konflikt. Zwangsläufig war fast jeder am Ende der etwa zwei Generationen dauernden globalen Auseinandersetzung ein Zeitzeuge, der sich selbst in die Erzählung vom Kalten Krieg positiv oder negativ einbinden konnte. Wie unterschiedlich dies sein kann, zeigt der Blick auf den Einzelfall. Für den in der Blockfreienbewegung organisierten Teil der beteiligten Nationen spielte beispielsweise der Mauerbau im geteilten Deutschland, der wiederum für Europa und die Supermächte eine zentrale Zäsur des Kalten Krieges bildete, keine wesentliche Rolle. 34 Ein Westeuropäer aus Großbritannien, Frankreich oder Portugal hat zwangsläufig andere Erinnerungen an den Konflikt als ein Bürger aus den Staaten des ehemaligen Ostblocks. Erinnerungen in den USA unterscheiden sich natürlich auch von jenen ehemaliger Sowjetbürger. Selbst innerhalb der einzelnen beteiligten Gesellschaften, ja sogar innerhalb der einzelnen Milieus konnten Erinnerung und politische Verortung unterschiedlich sein. Wie sie sich unterschieden, zeigt nicht zuletzt die Gedenkkultur. In den USA entstand eine in Teilen kritische, dennoch aber mehrheitlich positive Erinnerung. Relativ rasch wurde in den USA dafür gesorgt, daß in die angesehene Liste des National Register of Historie Places Dutzende von Cold War Resources als offizielle «Erinnerungsorte» aufgenom-men wurden. Daß die sowjetisch-russische Erinnerung an den Kalten Krieg dagegen viel stärker vom Verlust der einstigen Supermachtrolle und einem Gefühl der Niederlage geprägt ist, zeigt das Fehlen solcher Gedenkorte. Die offizielle Identitätssuche (Identic-nost) ist zu einer vorkommunistischen «russischen Idee» zurückgegangen, die nun auch die Zeit des Ost-West-Konflikts in eine gesamtrussische Geschichte einzuordnen sucht. 35 Noch komplizierter sind die Erinnerungen im 1990 vereinigten Deutschland. Hier tat man sich bereits mit der Erhaltung zentraler Monumente, so etwa Teilen der Mauer und militärischer Hinterlassenschaften, schwer. Eine der zentralen Fragen nach dem Ende des Konflikts ist daher, wie eine Erzählung des Kalten Krieges auszusehen hat, in der sich alle Beteiligten in angemessener Weise erkennen können. Die Epoche des Kalten Krieges kann daher eigentlich nur als eine globale, multilineare und auf vielfache Weise politisch, kulturell, wirtschaftlich-sozial verflochtene Geschichte erzählt werden, in der sich gleichzeitig die unterschiedlichen historischen Erfahrungen und politischen Sichtweisen wiederfinden. 36

l. Der Weg in den Kalten Krieg 1917-1945
Der Ost-West-Konflikt: Im Jahrhundert der Ideologen
    Zeitgenossen wie der französische Philosoph und Politiker Alexis de Tocqueville (1805 -1859) sahen bereits im 19. Jahrhundert einen Konflikt zwischen den aufstrebenden Mächten USA und Rußland voraus. Bezeichnenderweise glaubte Tocqueville in seiner berühmten Darstellung Über die Demokratie in Amerika (1835), daß der wichtigste Auslöser der ideologische Gegensatz sein werde: Das idealistisch verstandene demokratische Prinzip in den Vereinigten Staaten stehe dem monarchischen Prinzip unvereinbar gegenüber. 1 Tatsächlich war die berühmte außenpolitische Rede des amerikanischen Präsidenten James Monroe aus dem Jahr 1823, die dann zwanzig Jahre später völkerrechtlich zur «Monroe-Dolctrin» umgedeutet wurde und auch während des Kalten Krieges eine wichtige außenpolitische Leitlinie blieb, eine politische Kampfansage der Demokratie an die «Despoten» gewesen. Monroe hatte sich allerdings vorwiegend - aber ganz im Verständnis des «permanenten Krieges», wie ihn die Französische Revolution entwickelt hatte - gegen die befürchtete Einmischung der Heiligen Allianz auf der Seite Spaniens gegen die südamerikanischen Kolonien sowie gegen Rußlands Expansionsbestrebungen an der Nordwestspitze des amerikanischen Kontinents aussprechen wollen. Er postulierte dafür ein prinzipielles Interventionsverbot europäischer Mächte in diesem Raum. 2 In den Ausführungen des US-Präsidenten von 1823 wie in der späteren Monroe-Doktrin war
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