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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
Autoren: Bernd Stöver
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zudem noch ein zweiter Aspekt enthalten, der den ideologisch-politischen Konflikt unterstrich und erweiterte. Monroe hatte in einer aus der Rede entfernten Passage der griechischen Befreiungsbewegung, die damals gegen das Osmanische Reich kämpfte, die ideologische Unterstützung der USA zugesichert. 1830 erfolgte eine solche Erklärung auch für die polnische Freiheitsbewegung. In der ungarischen Revolution 1848/ 49 waren die Vereinigten Staaten sogar die einzige Nation, die die Unabhängigkeitserldärung der neuen Regierung unter Lajos Kos-suth diplomatisch anerkannte. In der Praxis blieben solche Erklärungen allerdings im 19. Jahr hundert weitgehend ohne Folgen. Washington war weder politisch noch militärisch in der Lage, diesen Versprechen wirklich Taten folgen zu lassen. Dennoch waren es diese Traditionen, die vor allem in den Anfangsjahren des Kalten Krieges als Begründung herangezogen wurden, wenn es um Konzepte ging, die «Versklavten Nationen» in Osteuropa von der sowjetischen Herrschaft zu lösen. 3
    Der ideologische Gegensatz zwischen Rußland und den USA verschärfte sich im 19.Jahrhundert noch einmal erkennbar in den 1880er Jahren, als nach der Ermordung von Zar Alexander II. die Unterdrückung revolutionärer Bewegungen in Rußland zunahm. Besonders intensiv zeigte sich der ideologische Gegensatz jedoch nach der Russischen Oktoberrevolution 1917. Der Westen versagte den Bolschewiki jede Anerkennung. Die «Vierzehn Punkte», das Friedensprogramm des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson im Januar 1918, waren daher nicht nur ein westliches Konzept gegen die Monarchien der Mittelmächte, sondern auch gegen die Bolschewiki und ihre «Diktatur des Proletariats».
    Der ideologische Konflikt zeigte sich hier bereits in seinen Grundzügen. Der globale Anspruch beider Weltanschauungen war ebenso offensichtlich wie der Ansatz zur Blockbildung. Die Bolschewiki kannten nach der Kapitulation vor den Deutschen in Brest-Litowsk im März 1918 nur noch Gegner oder Verbündete der Revolution. An das Deutsche Reich, das 1917 durch finanzielle und logistische Unterstützung die Arbeit Lenins in Rußland erst ermöglicht hatte, mußte die für die Versorgung der eigenen Bevölkerung überaus wichtige Ukraine abgetreten werden. Sie wurde kurz darauf von deutschen Truppen besetzt. Auf welcher Seite die westlichen Alliierten - vor allem Frankreich, Großbritannien und die USA - standen, war spätestens dann klar, als diese im Verlauf des nun rasch eskalierenden und bis 1921 andauernden Russischen Bürgerkriegs zugunsten der antikommunistischen «weißen» Truppen eingriffen. Die treibende Kraft hinter den Interventionen war Frankreich, das 1918 hoffte, damit die Ostfront gegen Deutschland reaktivieren zu können. Nach ersten kleineren Einheiten, die bereits im Frühjahr 1918 in russischen Häfen gelandet waren, wurden am 2. August des Jahres britische Marineverbände in Archangelsk und wenig später 35 000 amerikanische Soldaten im sibirischen Wladiwostok ausgeschifft. Auch japanische und tschechoslowakische Einheiten beteiligten sich an den bis 1920 fortgesetzten Interventionen. Zur selben Zeit starteten westliche Geheimdienstoperationen gegen die Bolschewiki. Vor allem britische Nachrichtendienste standen 1918 hinter einer Reihe von Attentaten und Putschversuchen. Am bekanntesten wurde das sogenannte «Lettische Komplott», bei dem der britische Geheimdienst MI 6 und das Außenministerium in London mit Hilfe der lettischen Wachmannschaften im August 1918 Lenin und Trotzki zu ermorden versuchten. 4
    Die Hauptwaffe gegen die Bolschewisierung Europas hatte Wilson allerdings in seiner neuen Weltordnung gesehen, in die bis zum Friedensschluß in Brest-Litowsk zunächst Lenins «Neues Rußland» eingebunden werden sollte. Für den Völkerbund als wichtigste Institution der geplanten globalen, theoretisch gleichberechtigten Neuordnung fand sich allerdings selbst in den USA keine Mehrheit. Wilson und die Demokraten erlitten bei den Wahlen im November 1920 eine gravierende Niederlage, und mit ihr kippte das Konzept des «Internationalismus» (Internationality). «Wir streben keine Beteiligung daran an, die Schicksale der Welt zu lenken», verkündete sein Nachfolger Harding in seiner Antrittsrede 1921. 5 Bis weit in die dreißiger Jahre konzentrierte man sich deutlicher auf innenpolitische Probleme. In der Außenpolitik herrschte zwar eine «isolationistische» Grundposition. Gleichwohl engagierten sich die USA auch in der
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