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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
Autoren: Bernd Stöver
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haben, umstritten. Doch angesichts der Selbstauflösung der Sowjetunion im Dezember 1991 - 69 Jahre nach ihrer Gründung und nach 45 Jahren teils heftiger Auseinandersetzungen am Rande des Atomkriegs -wußte jedoch jeder, daß hier ein Kampf zweier sich ausschließender globaler Ordnungssysteme, ein «Krieg der Welten», beendet worden war, den das «Sozialistische Weltsystem» nicht überlebt hatte.
    Die wichtigsten Probleme einer Gesamtinterpretation des Kalten Krieges liegen somit in der Tendenz, den Konflikt nach wie vor eher fragmentarisch und zum Teil noch immer ideologisiert zu betrachten. Notwendig ist einerseits, die in der Regel einzeln betrachteten Teile des global und tendenziell total geführten Kalten Krieges wieder zusammenzusetzen - sie zu defragmentieren. Andererseits gilt es, die stets zeitgebundenen, politisch wie geographisch standortabhängigen und subjektiven Interpretationen und Wahrnehmungen als solche zu historisieren. Was das bedeutet, kann man an sechs Bereichen deutlich machen.
    (1) Einheit der Epoche des Kalten Krieges. Der Streit um die Frage, ob der Kalte Krieg als eine Einheit oder als eine Aufeinanderfolge mehrerer Kalter Kriege zu betrachten sei, ist so alt wie der Konflikt selbst. Insbesondere in erhofften oder tatsächlichen Entspannungsphasen des Konflikts wurde sein Ende regelmäßig erklärt; zum ersten Mal bereits im Februar 1949, als aus dem Kreml leichte Zeichen einer Entschärfung zu kommen schienen. 21 Kontinuierlich wurden in den folgenden Jahrzehnten immer wieder das Ende und häufig unmittelbar danach wieder der Neubeginn des Konflikts ausgerufen. Der Blick aus dem Jahr des Untergangs der UdSSR 1991 macht die Einordnung jenseits der vielen subjektiven zeitgenössischen Einschätzungen einfacher. Es gab keinen ersten, zweiten und dritten Kalten Krieg, sondern Konflikt und Entspannung verliefen über seine gesamte Dauer gleichzeitig. Die Auflösung der Sowjetunion beschloß offiziell eine Auseinandersetzung, die ebenso amtlich mit zwei «Kriegserklärungen» der USA am 12. März und der UdSSR am 30. September 1947 begonnen und durch teilweise ineinander übergehende Eskalationsund Entspannungsphasen geführt hatte. Sechs Phasen lassen sich erkennen: Formierung und offizielle Eröffnung (1945/47), Blockbindung (1947/48-1955), Eskalation und Stillegung in Europa (1953-1961), Verlagerung in die Dritte Welt (seit 1961), Entspannung (1953 -1980), Rückkehr zur Konfrontation (1979-1989) und schließlich die Auflösung des Ostblocks (1985-1991). Der Kalte Krieg erweist sich rückblickend als Einheit, als eine Epoche.
    (2) Sonderstellung des Kalten Krieges im Ost-West-Konflikt. Nach der lange Zeit gängigen Definition war der Kalte Krieg ab 1947 ein Teil der Ost-West-Konfrontation seit der Russischen Oktoberrevolution 1917. Die Wurzeln dieses Konflikts reichten bis in das 19. Jahrhundert. So nahmen Zeitgenossen bereits Teile des Krimkriegs zwischen 1854 und 1856 als Konfrontation zwischen Ost und West - zwischen «asiatisch-russischer» und «europäisch-zivilisierter Welt» - wahr. Seit der Russischen Revolution war dieser traditionelle machtpolitische Konflikt durch eine ideologische Komponente ergänzt und in der Wahrnehmung der Zeit zu einem «Weltbürgerkrieg» ausgeweitet worden - ein Begriff, der dann vor allem auch in den fünfziger Jahren üblich war. 22 In neueren Nachschlagewerken ist diese sinnvolle Unterscheidung zwischen dem Kalten Krieg und dem Ost-West-Konflikt zum Teil nicht mehr übernommen worden. Prinzipiell ist es nicht falsch, da der Begriff des Ost-West-Konflikts umfassend für die Zeit nach 1917 gilt. Allerdings verschleiert die unbestimmte Bezeichnung die spezifische Qualität der Auseinandersetzung ab 1947, die sich erheblich von dem bis dahin geführten Konflikt unterschied. Konflikte gab und gibt es viele. Der Kalte Krieg jedoch war ein permanenter und aktiv betriebener «Nicht-Frieden», in dem alles das eingesetzt wurde, was man bisher nur aus der militärischen Auseinandersetzung kannte. Hinzu kam das, was bisher gänzlich unbekannt gewesen war und bereits 1946 den Erfinder des Begriffes bewegt hatte: Dieser «Nicht-Frieden» konnte, als beide Seiten schließlich begannen, immer mehr und größere Nuklearwaffen zu bauen, binnen Stunden zu einem unbegrenzten atomaren Krieg werden und einen Großteil der Menschheit vernichten. Bezeichnenderweise wurde bereits seit dem letzten Drittel der vierziger Jahre eine lebhafte Debatte darüber geführt, ob der
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