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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte
Autoren: Luca Di Fulvio
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streichelte über den Kragen und die abgewetzten Ärmel und dankte seiner Mutter im Stillen. Er legte ihn beiseite und griff nach dem blauen Wollanzug, den Santo ihm geschenkt hatte für seinen Theaterbesuch mit Maria, dem ersten seines Lebens. Auch sein Protagonist in der Komödie besaß einen warmen blauen Wollanzug von Macy’s. Und wie er selbst hatte er einen wahren Freund. Christmas legte den blauen Anzug neben den braunen. Er nahm einen eleganten schwarzen Maßanzug vom Bügel und zog dazu ein weißes Hemd und eine schmale Krawatte an. Dann öffnete er die Tür zur Abstellkammer und holte zwei Päckchen mit Schleife hervor. Ein großes für seine Mutter, ein winzig kleines für Sal. Er rief in der Pförtnerloge an und bat Neil, ihm ein Taxi zu rufen. Nachdem er den schwarzen Kaschmirmantel übergezogen hatte, ging er hinunter.
    Neil hielt ihm bereits die Taxitür auf.
    »Frohes neues Jahr, Neil«, sagte Christmas beim Einsteigen.
    »Frohes neues Jahr, Mr. Luminita«, erwiderte der Pförtner und schloss die Wagentür.
    »Monroe Street«, sagte Christmas im Auto.
    Der Fahrer drehte sich zu Christmas um und musterte dessen elegante Aufmachung. »Wissen Sie, wo das ist, Sir?«
    »Oh ja.«
    »Das ist in der Lower East Side.«
    »Es gibt schlimmere Orte.«
    Der Fahrer verzog das Gesicht, legte den Gang ein und fuhr los.
    Christmas sah ihn im Rückspiegel an und lächelte. Als sie schließlich in die Monroe Street einbogen, sagte er: »Neben dem Cadillac dort.« Er stieg aus und bezahlte.
    Um die Luxuskarosse strich eine Gruppe von vier kleinen Jungen herum. Sie waren mager und blass. Die Mützen bis zu den Ohren hinuntergezogen, bibberten sie in ihren dünnen Kleidern, doch konnten sie sich nicht entschließen, nach Hause zu gehen, so fasziniert waren sie von dem Auto, das niemand im Viertel sich hätte leisten können.
    »Lasst ihn zumindest heute Abend ganz«, sagte Christmas lächelnd.
    Die Jungen musterten ihn argwöhnisch. Auch der Typ war nicht angezogen wie einer aus dem Viertel. Sie wussten nicht, wer er war. Aber wie ein Gangster wirkte er nicht. Sicher war er irgend so ein Idiot aus Upper Manhattan, ein Gockel.
    »Haben Sie sich verlaufen, Sir?«, fragte einer der Jungen, der kleiner war als die anderen, aber einen klugen, aufgeweckten Blick hatte, und griff dabei in seine Tasche.
    »Nein«, sagte Christmas.
    »Gehört der Ihnen?«, wollte der Junge wissen und deutete auf den Cadillac.
    »Nein.«
    Der Junge zog die Hand aus der Tasche. Er hielt Christmas ein wackliges Klappmesser, dessen Klinge an der Spitze zersplittert war, entgegen. »Dann kümmer dich gefälligst um deinen Kram«, sagte er frech.
    Christmas ergab sich mit erhobenen Händen.
    »Das ist unser Revier«, fuhr der Junge fort.
    »Wie heißt ihr denn?«, fragte Christmas und hielt die Hände noch immer in die Höhe.
    Mit fragender Miene sah der Junge zu den drei anderen hinüber. Doch seine Freunde kamen ihm nicht zu Hilfe. Der Blick des Jungen kehrte zurück zu Christmas. »Wir sind ...« Er stockte und schaute nach rechts und links, als suchte er etwas. Dann hellte sich seine Miene auf. »Wir sind die Diamond Dogs«, sagte er und streckte die schmale Brust heraus.
    Christmas grinste. »Vor Jahren gab es hier in der Gegend schon einmal eine Gang, die so hieß.«
    Der Junge zuckte mit den Schultern. »Dann haben sie wohl von uns gehört und Reißaus genommen. Jetzt ist das unser Name.«
    Christmas nickte. »Darf ich die Hände runternehmen?«
    »In Ordnung, aber keine falsche Bewegung«, gab der Junge zurück und fuchtelte mit dem Messer vor Christmas’ Bauch herum.
    »Keine Sorge, ich habe nicht vor, mich aufschlitzen zu lassen. Ich müsste aber kurz da rein.« Er zeigte auf den Eingang des Hauses Nummer 320. »Darf ich?«
    Der Junge wandte sich an seine Freunde. »Lassen wir ihn gehen?«
    Einer der drei prustete los und hielt sich den Mund zu.
    »Also gut, Gockel«, sagte der Junge mit dem Messer. »Heute wollen wir mal nicht so sein. Du kannst gehen. Heute Abend verschonen dich die Diamond Dogs noch mal.«
    »Man sieht sich«, sagte Christmas und trat ins Haus. Fröhlich stieg er die Stufen hinauf.
    »He«, rief hinter ihm der Junge und holte ihn auf dem ersten Treppenabsatz ein. »Was haben diese Diamond Dogs, die du kanntest, gemacht? Waren sie berühmt?«
    »Ziemlich. Aber sie haben ihren Kopf benutzt, keine Pistolen oder Messer.«
    Neugierig sah ihn der Junge an. »Und wer war ihr Anführer?«
    »Ein Typ mit einem
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