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Der Jünger

Der Jünger

Titel: Der Jünger
Autoren: Sharon Sala
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benachrichtigen müssen.”
    Sein Partner verzog das Gesicht. “Verdammt, das hasse ich an diesem Job.”
    Ben musste ihm zustimmen. “Ich auch. Also, bringen wir es hinter uns.”
    Sie stiegen schweigend in den Wagen. Ben überprüfte noch einmal den Namen und die Adresse, die sie von dem verletzten Jungen bekommen hatten. Dann wendete er das Auto auf der Straße. Es war Viertel vor drei Uhr morgens, und er musste erst noch eine Familie unglücklich machen, bevor er nach Hause fahren konnte.
    Jay Carpenter hielt vor einer roten Ampel. Aus Gewohnheit überprüfte er den Verkehr hinter sich im Rückspiegel. Um diese Uhrzeit und bei diesem Regen waren die Straßen so gut wie leergefegt. Dabei fiel sein Blick auf sein Gesicht im Rückspiegel. Er sah völlig anders aus als zu der Zeit, als sie ihn aus dem Krankenhaus entlassen hatten. Das Wiedererwachen hatte sein ganzes Leben verändert. Nicht nur äußerlich war er kaum wiederzuerkennen. Auch sonst war nichts mehr so wie früher.
    Jay hatte das Freizeichen an seinem Taxi ausgeschaltet, weil er Feierabend machte, aber das hielt zwei Prostituierte auf der anderen Straßenseite nicht davon ab, ihn heranzuwinken. Die Kleider klebten an ihren Körpern und das übertriebene Make-up lief ihnen in Schlieren über die Gesichter. Obwohl Jay hundemüde war und nur noch in sein warmes Bett wollte, fuhr er bei Grün über die Kreuzung und hielt am Bürgersteig, um sie einsteigen zu lassen.
    Er rümpfte die Nase, als die Frauen sich auf den Rücksitz quetschten. Trotz des Make-ups und der Kleidung, die sie trugen, sah er sofort, dass die beiden nicht älter als zwanzig sein konnten. Eine von ihnen hatte ein blaues Auge. Die Schminke, mit der sie es verdecken wollte, war vom Regen weggewaschen worden. Die andere zitterte heftig und brauchte offensichtlich einen Schuss. Beide rochen nach kaltem Rauch und Sex.
    “Vielen Dank auch”, sagte die mit dem blauen Auge.
    “Ja, danke”, wiederholte die Drogensüchtige.
    “Gott segne euch”, erwiderte Jay.
    Beide waren offensichtlich überrascht, dass sein Akzent so erkennbar amerikanisch war. Mit dem langen Pferdeschwanz und seinem dunklen Vollbart wirkte er eher wie ein Ausländer.
    “Ja, klar. Vielen Dank”, kam es noch einmal von der mit dem Veilchen, die gleich darauf an ihre Freundin gewandt die Augen rollte und ein Kichern unterdrückte.
    “Wohin?”, wollte Jay wissen.
    Die Drogensüchtige nannte ihm eine Adresse. Jay fuhr los, ohne den Zähler anzustellen. Die Mädchen registrierten es und zuckten mit den Schultern.
    Jay ignorierte ihre Reaktion.
    “Wisst ihr, wer Jesus ist?”, fragte er.
    Die mit dem Veilchen sah ihn an, als hätte er ihr gerade ins Gesicht gespuckt, aber ihre Freundin lachte laut.
    “Ja, ich glaube, ich hab ihm letzte Woche einen geblasen.”
    Die mit dem Veilchen runzelte die Stirn. “Halt den Mund, Dee-Dee, das ist nicht komisch.”
    Die Drogensüchtige, von der er jetzt wusste, dass sie Dee-Dee hieß, zuckte nur mit den Schultern und zündete sich eine Zigarette an. “Ach, fick dich, Phyl. Reg dich nicht auf.”
    Phyl strich sich unbewusst über den blauen Fleck neben ihrem Auge und starrte wortlos aus dem Fenster.
    Jay fragte sich, woran die beiden wohl dachten und wie sie so tief sinken konnten. Sie taten ihm leid. Er dachte an seine eigenen Verfehlungen und daran, wie glücklich er sich schätzen konnte, eine zweite Chance zu haben, um seine Sünden wieder gutzumachen.
    Er hielt vor einer roten Ampel, obwohl weit und breit kein anderer Wagen in Sicht war.
    “Kommen Sie schon, Mister, wir sind kaputt”, sagte Dee-Dee. “Niemand in Sicht, fahren Sie schon!”
    “Die Gesetze Gottes wurden nicht gemacht, um sie zu brechen”, erklärte er nur freundlich.
    Dee-Dee schnaufte. “Gott hat mit den Ampeln nichts zu tun.”
    “Gott ist überall”, entgegnete Jay.
    “So ein Blödsinn. Was sind Sie denn eigentlich … irgend so ein komplett abgefahrener Jesusfreak?”
    “Ich war einmal in der Hölle. Ich möchte da nie wieder hin”, sagte er.
    “Ja, ja, und wir leben in der Hölle, also tritt aufs Gas und setz uns schnellstens dort ab. Ich hab genug von diesem Unsinn.”
    “Ich werde für euch beten”, sagte Jay ein paar Minuten später, als er vor dem Haus bremste, das sie ihm genannt hatten. “Geht mit Gott”, fügte er noch hinzu.
    “Wie du willst.” Dee-Dee schlüpfte vom Rücksitz.
    Das Mädchen mit dem blauen Auge war nicht so abgebrüht. “Vielen Dank. Dee-Dee meint es nicht so. Sie
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