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Der Jakobsweg

Der Jakobsweg

Titel: Der Jakobsweg
Autoren: Inka Ehrbar
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Cacabelos herrscht buntes Treiben. Die Dorfbewohner feiern ein Fest. Sie tanzen und singen zur Gaita, dem galicischen Dudelsack. Tila und ich sind selbstverständlich dabei.
     

19. Wandertag: Cacabelos – O Cebreiro – 35 km
     
    Die Galicier sind fast so ausdauernd wie ich. Eine Zeit lang habe ich gedacht, die wollen überhaupt nicht mehr aufhören mit Singen und Tanzen und so. Na ja, Feste soll man feiern, wie sie fallen. Also schön war’s schon. Auch das Gedudele aus den Sackpfeifen. Nur als ich mitsingen wollte, hat mir Inka eins aufs Maut gegeben. Danach hat es nicht mehr so viel Spaß gemacht. Ich habe meine Ohren auf Durchzug gestellt und mich verkrochen.
    Der Tag fängt gut an. Kaum sind wir auf der Landstraße, stoppt ein Auto vor uns. Der Fahrer ruft uns irgendetwas zu und hält dann eine Tüte aus dem Fenster. Ein köstlicher Duft steigt mir in die Nase.
    Was mag das sein? Nun los, Inka, geh schon hin! Oder riechst du nichts? Mannomann, sie scheint gestern zu tief ins Glas geschaut zu haben. Sie kapiert erst, als ich sie ins Knie stupse. Nein, mitfahren will sie nicht, wir laufen selbstverständlich.
    He, und was ist mit der Tüte?
    Beinahe wäre ich leer ausgegangen. Aber der Mann ist freundlich und wirft mir ein Stück Kuchen zu. Leider nur ein einziges. Hm, hm, lecker!
    Inka erzählt heute erstaunlich viel. So in die Richtung von Sünde und sündigen. Keine Ahnung, was das soll. Ich kann mich nicht erinnern, jemals in meinem Hundeleben gesündigt zu haben.
    Oder doch?
    Im Moment liege ich neben dem Ofen in einer kleinen Bar und schon kommen mir Zweifel. Sicher ist: was in den letzten Stunden passiert ist, kann ich nur als Strafe werten. Aber wofür? Also, angefangen hat es auf Nationalstraße VI. Die ging rauf und runter und dann nur noch rauf. Mir wäre fast die Puste ausgegangen. Später wateten wir auf einem Weg, der überflutet war.
    Zu allem Überfluss wechselte das Wetter ständig. Mal Sonne, mal Regen. Und jetzt bin ich kaputt. Aber eine Sünde fällt mir beim besten Willen nicht ein.
    Wer schläft, sündigt nicht. Also schlafe ich den Schlaf der Gerechten.
    Als ich die Augen wieder auf mache, glaube ich zu träumen. Da sitzt doch tatsächlich eine Katze direkt vor meiner Nase. Also, die kann froh sein, dass Inka und ich angelernt sind. Blöd scheint das Vieh nicht zu sein. Sie springt zwar mal kurz auf, merkt aber sofort, dass ich ziemlich bewegungsunfähig bin. Ich stehe kurz vor einem Wutanfall, als sie sich wieder genau vor meiner Nase plaziert. Aber sie hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der kommt nämlich und schmeißt das hinterhältige Geschöpf aus dem Lokal. Es gibt also doch noch Gerechtigkeit.
    Draußen war es dann ziemlich ungemütlich, so wie in einer Waschküche. Und ob die Freiheit über den Wolken grenzenlos ist, kann ich nicht beschwören. Wir sind nämlich im Regen durchgegangen. Es war so neblig, dass man die Pfoten nicht vor Augen sehen konnte.
     
    Das Dorf schläft, als wir früh am Morgen aufbrechen. Nur ein Hund in der Ferne scheint wach zu sein und bellt müde.
    Sobald wir den Fluss Cúa überquert haben, geht es die Landstraße entlang. Nach ein paar Kilometern hält ein Autofahrer an und überreicht mir freundlich ein Stück Kuchen, das noch warm ist und wunderbar duftet.
    Ich erfahre, dass er Jatos heißt und in Villafranca eine Pilgerherberge bewirtschaftet. Der Ort liegt zwar auf meinem Weg, aber sein Angebot mitzufahren lehne ich dankend ab. Er zwinkert mir zu, lädt mich spontan in sein Haus ein und meint, ich solle einfach vorbeikommen, der Kaffee sei dann fertig.
    Jatos’ Haus, das neben der Santiago-Kirche liegt, ähnelt mehr einem Schuppen. Innen ist es jedoch urgemütlich, obschon es unangenehm zieht. Um mich nicht zu erkälten, streife ich mir einen dicken Pullover über.
    Überall sind Blumen. An den Wänden hängen unzählige Bilder und Sprüche von Pilgern, die in verschiedenen Sprachen allerlei Geschichten erzählen. Ich setze mich an den großen Tisch, während Jatos’ Frau den Kaffee frisch zubereitet.
    Jatos schwärmt unterdessen von seinem neuen, großen Haus, das gleich nebenan entsteht, mit Duschen und allem Komfort. Dort wird keine Zugluft herrschen, versichert er mir und sieht mich stolz an.
    Ob es ihm gelingt, die heimelige Atmosphäre, die sein Holzverschlag derzeit ausstrahlt, in sein modernes Haus hinüberzutragen? Ich vermag es nicht zu sagen, aber ich wünsche es ihm.
    In Villafranca sind nahezu alle Balkone mit Blumen
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