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Der italienische Geliebte (German Edition)

Der italienische Geliebte (German Edition)

Titel: Der italienische Geliebte (German Edition)
Autoren: Judith Lennox
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verbargen sie dem Haus. Er sagte kein Wort, als er sie in die Arme nahm und küsste. Mit einer Hand streichelte er ihr Haar, und sie fühlte die Hitze seines Körpers. Umschlungen gingen sie zum Lorbeerhain und legten sich auf dem weichen Laubboden nieder. Seine Hand glitt ihr Bein hinauf zur geraden, schmalen Linie ihres Schenkels. Als er ihren Bauch streichelte, brannte sie lichterloh und zog ihn an sich, um ihn in sich aufzunehmen.  
    Ein kühlender Wind strich über sie hin, als sie später still in der Dunkelheit lagen. Das Plätschern des Brunnens war wie ferne Musik. Sie glaubte, sie würden einander ewig lieben und das Glück werde niemals aufhören.  

Teil 1
     
    Eine Art Verzauberung  
    Oxfordshire, England, 1937  

1
     
    Hinter Freddies Schule war ein Weiher. In kalten Wintern durften die Schüler dort manchmal Schlittschuh laufen. Davon erzählte Freddie, als sie an diesem Nachmittag mit Tessa in einer Teestube in Oxford saß.  
    »Wer in der Fünften oder Sechsten ist, darf vor den Hausaufgaben eine halbe Stunde eislaufen. Und an Wochenenden eine Stunde.«  
    »Weißt du noch«, sagte Tessa, »als wir in Genf lebten und auf dem See gelaufen sind?«  
    »Ja, und Mama hat uns zugeschaut«, antwortete Freddie. »Sie hat immer im Café gesessen und heiße Schokolade getrunken.«  
    Sie sprachen oft von ihrer Mutter, hatten beide stillschweigend beschlossen, es zu tun, seit sie vor drei Jahren, in dem Frühjahr, nachdem sie Italien verlassen hatten, von ihrem Tod nach einem akuten Asthmaanfall erfahren hatten. So erhielten sie sie am Leben.  
    »Wir wohnten in dieser ulkigen kleinen Pension«, erinnerte sich Freddie. »Wie hieß die Wirtin gleich wieder? Madame… Madame –«  
    »Depaul. Madame Depaul.« Tessa lächelte. »Jeden Tag gab es Käsetoast zum Abendessen, weil Madame Depaul überzeugt war, das wäre das Leibgericht aller Engländer. Morgens nach dem Frühstück hat Mama ihren Pelzmantel angezogen, und dann sind wir zusammen zum See gegangen.«  
    Den Pelzmantel hatte Tessa geerbt. Als er aus Italien angekommen war, hatte er noch nach dem Parfüm ihrer Mutter geduftet. Sie zog ihn an, schloss die Augen und weinte zum Duft von Mitsouko ihren Kummer und ihre Verlassenheit in den weichen Pelz des Kragens. Der Duft war lange verweht, aber wenn Tessa die Augen schloss und sich konzentrierte, konnte sie ihn immer noch riechen.  
    »Heiße Schokolade hat nie wieder irgendwo so gut geschmeckt wie in der Schweiz«, sagte sie.  
    »In der Schule gibt es sie auch, aber die ist wässrig.« Freddie, die immer hungrig zu sein schien, hatte eine Riesenportion Eier auf Toast verdrückt und war jetzt beim Kuchen angelangt.  
    Tessa lächelte. »Mach langsam, Schatz, wir haben jede Menge Zeit.«  
    »Entschuldige. Aber weißt du, wenn man im Internat nicht schnell genug ist, bekommt man keine zweite Portion. Erinnerst du dich nicht mehr?«  
    Doch, Tessa erinnerte sich jetzt, da sie zurückdachte. Sie war nur sechs Wochen auf der Westdown-Internatsschule geblieben, wohin ihre Mutter sie und Freddie im Herbst 1933 geschickt hatte. Sie hatte vom ersten Tag an gewusst, dass sie es dort nicht aushalten würde, und nur eine Weile ausgeharrt, um sicher zu sein, dass Freddie ohne sie zurechtkommen würde. Jetzt, gut drei Jahre später, erinnerte sie sich nur noch, dass sie auf der Schule ständig irgendwohin rennen und in größter Eile sinnloses Zeug erledigen musste.  
    Seit sie Westdown den Rücken gekehrt hatte, lebte sie in London, wo sie sich eine Karriere als Mannequin und Fotomodell aufgebaut hatte. Anfangs hatte sie zur Untermiete gewohnt, später, als ihre Karriere allmählich in Gang kam, war sie in ihre erste eigene Wohnung umgezogen. Die Wohnung in Highbury, in der sie jetzt lebte, war eine Pracht, geräumig und hell, mit einem riesengroßen Wohnzimmer und einem luxuriösen Bad. Sie liebte London, nur manchmal, wenn irgendetwas eine Erinnerung weckte, überfiel sie eine brennende Sehnsucht nach ihrem früheren Leben, so wie jetzt, da sie sich wieder auf dem zugefrorenen Genfersee ihre Pirouetten drehen sah.  
    Auf dem Kuchenteller lag nur noch langweiliges Zeug, ein Stück Johannisbeerkuchen und ein Sandwich. Nachdem sie frisches Gebäck und noch eine Kanne Tee bestellt hatte, zündete sie sich eine Zigarette an.  
    Als sie Freddies begehrlichen Blick auf das Schokoladeneclair bemerkte, sagte sie: »Nimm ruhig.«  
    »Aber es ist doch eigentlich deins.«  
    Tessa schüttelte den Kopf.
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