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Der italienische Geliebte (German Edition)

Der italienische Geliebte (German Edition)

Titel: Der italienische Geliebte (German Edition)
Autoren: Judith Lennox
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fand, er wirke selbstzufrieden. Er sah aus, wie sie sich den typischen Römer vorstellte, mit klassischem Profil, lockigem schwarzen Haar und glutvollen tiefbraunen Augen. Der helle Leinanzug mit dem blassblauen Hemd darunter war von lässiger Eleganz. Er war ein eitler Mensch und wusste genau, wie gut er aussah. Tessa konnte sich gut vorstellen, wie er das Revers seines Jacketts gerichtet hatte und sich noch einmal mit der Hand über die Haare gefahren war, bevor er von zu Hause weggegangen war. Guido gab sich ihr und den anderen gegenüber gern ein wenig distanziert, als wollte er ihnen zeigen, dass sie nur Kinder waren, er hingegen ein Mann.  
    Sie schwamm zum Beckenrand. Guido setzte sich auf die Mauer. Seine Berührung, als er die grünen Fäden aus ihrem Haar löste, elektrisierte sie. In seinem Blick las sie, wie sehr er sich seiner Macht bewusst war – seines Aussehens, seiner Größe, seines überlegenen Alters. Sie hatte Lust, ihm einen Dämpfer zu verpassen und ihn von seinem hohen Ross zu stoßen.  
    »Komm schwimmen«, sagte sie.  
    »Geht nicht, tut mir leid. Ich habe meine Badesachen nicht mit.«  
    »Ich meinte, so wie du bist.«  
    »In Kleidern?«  
    »Wetten, du bist zu feige?«  
    Sie schwamm von ihm weg, drehte sich auf den Rücken und strampelte mit den Beinen, dass es spritzte. »Feige! Feige!«, rief sie.  
    Er lachte, dann zog er Schuhe und Jackett aus und tauchte mit einem sauberen Sprung ins Wasser. Mit ein paar schnellen, kräftigen Kraulzügen holte er sie ein.  
    »Na bitte«, sagte er prustend. »Ich habe gewonnen.« Das Hemd, dunkler blau jetzt, klebte ihm am Körper. »Jetzt will ich auch den Preis haben.«  
    »Ich lade dich zu einem Eis im Vivoli ein.«  
    »Ich hatte eigentlich etwas anderes im Sinn.«  
    »Und das wäre?«, fragte sie. Die Glut in seinen Augen erregte sie; sie wusste, was er sagen würde.  
    »Ein Kuss«, sagte er.  
    »Und wenn ich dir keinen geben will?« Sie lachte ihm ins Gesicht.  
    »Dann hole ich ihn mir einfach.«  
    So schnell sie konnte, schwamm sie von ihm weg, aber er war schneller, und sie kreischte laut auf, als er sie um die Taille fasste.  
    »Einen Kuss«, forderte er. »Einen Kuss, meine schöne Tessa.«  
    Seine Lippen streiften ihren Mund. Gesicht an Gesicht schaukelten sie im Wasser. Er umschlang sie mit beiden Armen und küsste sie, und sie schloss die Augen, während sie hinabsanken, im dämmrigen Licht sanft gestreichelt von den Pflanzenfäden. Dunkle Formen wie die Ruinen einer versunkenen Stadt schwammen unter ihnen, und ihr Lachen verklang in der Wonne seines Kusses.  
    Sie musste Atem holen, und er zog sie mit sich zur Oberfläche. Noch während sie beide nach Luft schnappten, hörten sie im Haus eine Tür zuschlagen. Die Villa Millefiore war aus dem Mittagsschlaf erwacht.  
    »Komm«, sagte er. »Schnell.«  
    Er kletterte auf die Mauer und reichte ihr die Hand, um ihr aus dem Wasser zu helfen. Eilig schlüpften sie in ihre Schuhe, er packte sein Jackett und ihr Kleid. Dann rannten sie Hand in Hand, Tessa mit auf den Mund gepressten Fingern, um ihr Lachen zu dämpfen, auf dem Kiesweg zum Lorbeerhain auf der einen Seite des Parks. Unter dem dunkelgrünen Baldachin verloren sie sich, die nassen Körper eng aneinandergepresst, in wilden Küssen, und durch das Laub fiel das Sonnenlicht in Diamantsprenkeln auf sie herab.  
    Sie war siebzehn Jahre alt, und der Sommer ihrer Liebe war ein Taumel der Begierde und der Verzückung: erfüllt vom Zauber seiner Berührung, wenn er beim Spaziergang ihre Hand mit seinen Fingern umschloss, mit dem Fuß unter dem Esstisch ihr Bein liebkoste. Erfüllt von Spannung und Geheimnis, wenn sie nachts auf Zehenspitzen durch die Villa schlich, zwischen Sesseln und Tischen hindurch, die sich aus der Dunkelheit hoben wie Felsen aus einem Fluss. Der massige Kleiderschrank an der Wand war wie ein schwarzes Tor in eine andere Welt. Ein feines Geräusch, und Tessa blieb reglos stehen, alle Sinne hellwach, aber es war nur eine Maus, die zu ihrem Loch in der Täfelung huschte. Als sie leise und vorsichtig die Tür zur Terrasse öffnete, wehte ihr die duftende Wärme der Nacht entgegen. Mit dem leichten, sicheren Schritt einer Träumerin flog sie über die Steinplatten und die Treppe hinunter zum Parkweg.  
    Guido erwartete sie. Sie hörte das Knirschen des Kieses unter seinem Schuh, als er sich zu ihr herumdrehte. Die Zypressen, die zu beiden Seiten den Weg säumten wie dunkle Wächter,
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