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Der Infekt

Der Infekt

Titel: Der Infekt
Autoren: Linda Budinger
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fühlte sich sehr sicher. Er blieb vor ihm. Provozierend nickte die Kakerlake Cotton zu, als der Wagen in den Battery Tunnel einfuhr. Der Kammerjäger besaß wie Cotton einen E-ZPass und ordnete sich auf der entsprechenden Spur für die elektronische Maut ein.
    Während sie hintereinander durch die helle Tunnelröhre fuhren, trommelte Cotton mit dem Finger aufs Lenkrad.
    Auf dem Westside Highway in Manhattan zwang er sich, den Wagen nicht zu sehr zu bedrängen und Abstand zu halten. Einfach fiel Cotton das nicht. Es brodelte in ihm. Er fühlte sich, als wäre jeder einzelne Ameisenstich erneut aufgeplatzt und würde ihn abermals peinigen. Sein Kiefer war verkrampft, der Mund trocken. Er schob sich mit der rechten Hand ein Kaugummi zwischen die Lippen. Fast wäre es ihm durch die steifen Finger gerutscht.
    Der Fahrer der Kakerlake drückte inzwischen selbst aufs Gas. Immer, wenn kurz der Kopf des Fahrers sichtbar wurde, leuchteten seine Haare in der Morgensonne. Es wirkte auf Cotton jedes Mal wie ein rotes Tuch. Dich kriege ich!
    Sie fuhren im Riverside Park ab. Die Sonne schien durch die Blätter der Bäume neben der Straße, ein flackerndes Spiel von Licht und Schatten, das Cotton halb blind machte. Fahrig riss er die Sonnenblende herunter und hätte den Dodge dabei fast in die Böschung gesetzt. Cotton stieg in die Eisen. Er musste sich konzentrieren.
     Der Pick-up bog in den St. Clair Place ab. Cotton fuhr schon wieder zu schnell und bremste erneut. Irgendetwas stimmte mit der verdammten Bremse nicht. Oder schlief er schon am Steuer ein?
    Sie fuhren in ein Viertel mit kleinen Firmen und Wohnbauten ein. Es lag nicht weit von der Columbia entfernt. Der Verkehr wurde dichter, und Cotton hatte Mühe, im Strom der Fahrzeuge mitzuschwimmen. Jedes Mal schien er ein bisschen zu spät zu reagieren, und der Dodge schien immer einen Hauch zu langsam zu bremsen. Cotton fluchte. Ihm war kalt, zugleich schwitzte er. Spielte ihm das Fieber schon so übel mit?
    Da drosselte der Kammerjäger das Tempo und bog scharf rechts ab. Cotton riss das Steuer herum und trat aufs Bremspedal. Doch die Bremse griff nicht.
    Der Dodge legte sich mit kreischenden Reifen in die Kurve. Die Räder verloren die Bodenhaftung, und der Wagen schlitterte haltlos. Cotton riss an der Handbremse. Das Heck schleuderte herum, der Motor röhrte auf. Wild kurbelte Cotton am Lenkrad und versuchte verzweifelt, die Kontrolle zu behalten. Er schrammte am Bürgersteig entlang. Ein Passant wich panisch zurück in den Hauseingang, aus dem er getreten war.
    Dann war der Wagen wieder in der Spur. Was fehlte, war die Kakerlake. In dem kurzen Moment der Ablenkung hatte Cotton das Fahrzeug verloren.
    Er rieb sich die brennenden Augen. Zwischen motorisierten Pendlern und Fußgängern sah er einen Donut-Stand am Straßenrand, und weiter vorn einen Schulbus, der um die Ecke bog. Den Bus konnte das Auto in der schmalen Straße nicht überholt haben. Es war wie vom Erdboden verschluckt.
    In diesem Moment erblickte Cotton im Außenspiegel eine Einfahrt zwischen zwei mehrstöckigen Wohnhäusern. Er reagierte sofort, wendete, ignorierte die Proteste der anderen Verkehrsteilnehmer und setzte in die Einfahrt.
    Die überdimensionale Schabe an dem Auto wippte noch. Cotton zog die Handbremse und stieg aus dem Wagen. Er würde sich Zaninski vorknöpfen und herausfinden, was der Kerl über die Vorfälle in der Belfort-Privatklinik wusste.
    Der Fahrer war noch nicht ausgestiegen, als Cotton bereits die Tür aufriss – und in die Mündung einer Pistole blickte.
    Sein Herzschlag schnellte in die Höhe. Cotton holte aus, um die Waffe wegzuschlagen. Dann registrierte er, dass es nur der Lauf einer Insektenspritze war.
    »Hören Sie, Mister. Ich weiß nicht, was Sie für ein Problem haben, aber ich schlage vor, Sie verpissen sich einfach und belästigen jemand anders.«
    Vor ihm saß eine junge Frau, deren rote Haare im Garçon –Schnitt frisiert waren. Cotton hob abwehrend die Hände, bevor sie ihn noch mit Insektengift einnebelte.
    »Schon gut, ich habe Sie … verwechselt.« Er fühlte sich, als wäre er gegen eine Eiswand geprallt. »Tut mir leid.«
    Misstrauisch verfolgte die Frau in dem Overall seinen Rückzug. »Und gehen Sie zum Arzt«, rief sie. »Sie sehen echt Scheiße aus.«
    Langsam wie ein alter Mann ging Cotton zurück zu seinem Dodge und stieg wieder ein. »Reiß dich zusammen«, murmelte er vor sich hin und fuhr langsam zurück.
    Das Bremspedal klapperte nur noch nutzlos.
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