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Der Infekt

Der Infekt

Titel: Der Infekt
Autoren: Linda Budinger
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wieso er von den Ameisenstichen nicht wach geworden war.
    Die Ameisen waren direkt auf ihn losgegangen, nicht etwa auf den Honigverband. Der verletzte Arm war gar nicht von den Stichen betroffen. Genau genommen hatten die Tiere sich besonders auf seinem Hemd gesammelt. Sie hatten sogar das Handy attackiert, das bestimmt nicht nach Honig roch.
    Ja, natürlich …
    Das Handy war in der nassen Brusttasche gewesen. Cotton hatte es weggesteckt, nachdem ihm der Besucher, den er für Dr. Harris hielt, eine Flüssigkeit aufs Hemd geschüttet hatte.
    Inzwischen glaubte Cotton nicht mehr an ein Versehen. Vermutlich war es kein Wasser gewesen, sondern irgendein Lockmittel. Wenn er doch nur die Spuren auf dem Stoff gesichert hätte! Aber in dem Durcheinander nach der Attacke war das Hemd verschwunden.
    Dazu die giftigen Frösche genau vor seinem Zimmer, an einem Tag, wo der Bio-Doktor Dienst hatte. Zu viele Zufälle und gezielte Anschläge. Das alles war zwar in der Klinik geschehen, doch die Indizien wiesen nach außen.
    Cotton wälzte sich unruhig im Bett herum. Obwohl er hundemüde war, konnte er einfach nicht abschalten und in den Schlaf finden.
    Im Morgengrauen wurde ihm schließlich klar, was er die ganze Zeit übersehen hatte.

10
    Montag, 21. Juli, Staten Island
    Bevor Cotton sich aus der Klinik schlich, schickte er von Mrs Chins Mobiltelefon eine vorbereitete SMS ab. Sein Fieber war nicht gesunken, er fror trotz der Sweatjacke. Cotton fühlte sich wie ein ausgewrungenes Handtuch. Doch er musste dieser Spur persönlich nachgehen, zu viel stand auf dem Spiel. Notfalls machte er sich zum Narren, und bestenfalls … Nun, er würde sehen.
    Cotton war froh, als er seinen Privatwagen erreichte, einen Dodge Challenger, einen Boliden mit einem Hubraum und einer Leistung wie ein Lastwagen. Der Gurt half ihm, trotz Schüttelfrost aufrecht zu sitzen. Er schaltete die Heizung ein und biss die Zähne zusammen, damit sie nicht klapperten.
    Der Höhepunkt der Rushhour stand erst noch bevor. Schließlich hatte Cotton auch noch eine knappe Stunde zu fahren, und in Manhattan würde mehr los sein. Bis dahin sollten die Gebäude der Universität geöffnet sein.
    Über die Corbin Avenue und die Arthur Kill Road fuhr er durch ruhige Vorortstraßen und vorbei an einem Friedhof und baumbewachsenen Grundstücken. Zeitungsboten auf Fahrrädern warfen zusammengebundene Nachrichtenblätter auf Türschwellen und duckten sich unter Rasensprengern hindurch, die Regenbogen in den Himmel sprühten. Gähnende Frauen machten Kinder für den Schulbus fertig.
    Cotton fuhr weiter. Auch andere schickten sich an, Staten Island für den Arbeitstag zu verlassen. Müde Gesichter hinter Autoscheiben zogen an Cotton vorbei, Familienkutschen begleiteten ihn, als er auf die Interstate 278 auffuhr bis zur Verrazano Narrows Bridge nach Brooklyn. Die Pylone der gewaltigen Brückenkonstruktion erhoben sich majestätisch im Gegenlicht. Die Stahlseile schnitten den aprikosenfarbigen Himmel in Segmente, fast wie bei einem Spinnennetz.
    Cotton kam gut voran, und die Straßen Brooklyns waren ihm so vertraut wie sein eigener Hinterhof. Sein rechter Arm war steif, und so lenkte er hauptsächlich mit links und blieb vorwiegend auf der rechten Spur.
    Die monotone Fahrt schläferte seine Aufmerksamkeit ein.
    Irgendwo in Brooklyn musste sich der Wagen unbemerkt an ihn gehängt haben: ein kakifarbener Pick-up, auf dessen Dach eine grinsende Kakerlake schaukelte. Ehe er genauer hinsehen konnte, fiel das Auto wieder zurück. Cotton war sicher, dass der Fahrer rote Haare hatte.
    Eine Woge von Hass überflutete ihn. Unwillkürlich trat er aufs Gas. Der 425-PS-Dodge jagte los ein Rennpferd und fraß Asphalt. Die Ränder von Cottons Blickfeld trübten sich rot ein. Endlich wurde ihm etwas wärmer.
    Zaninski hatte ihn also aufgespürt. Wahrscheinlich hatten sie ihn die ganze Zeit beobachtet. Schön dumm, ihn ausgerechnet in einem Schädlingsbekämpfer-Fahrzeug zu verfolgen!
    Cottons Spurt endete jäh. Nur eine Vollbremsung bewahrte ihn vor dem Zusammenstoß mit einem Wagen auf der Nebenspur. Er kurvte an den Straßenrand und hätte fast einen Hydranten gerammt.
    Cotton beschloss, seine Verfolger nicht abzuhängen. Er würde den Spieß einfach umdrehen. Kurz tippte er auf die Bremse und scherte hinter dem Kammerjäger wieder ein.
    Wildes Hupen der anderen Verkehrsteilnehmer kommentierte seine Manöver.
    Aber der Fahrer des Kakerlaken-Pick-ups hatte ihn entweder nicht bemerkt, oder er
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