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Der indische Fluch

Der indische Fluch

Titel: Der indische Fluch
Autoren: Alfred Bekker
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der vierte Eheman der Gillian Carter, war ein begnadeter und berühmter Konzertpianist gewesen. Soweit ich mich darüber informiert hatte, mußte man von Stantons Karriere allerdings tatsächlich in der Vergangenheit reden, denn seit Jahren war er nicht mehr öffentlich aufgetreten.

    Er hatte immer im Schatten seiner viel berühmteren Frau gestanden. Außerdem munkelte man von Alkoholproblemen.
    Als mein Blick die düsteren Landschaftsbilder streifte, die auch in diesem Raum allgegenwärtig waren, schien Edward meine Gedanken zu erraten.
    "Mr. Stanton hat im übrigen auch die Gemäldesammlung zusammengestellt, die Sie schon unten im Empfangsraum so zu faszinieren schien!"
    Ich atmete tief durch. Bei Mr. Stanton schien es sich um einen ziemlich depressiven Charakter zu handeln.
    "Kann ich noch etwas für Sie tun?" fragte Edward dann.
    Ich schüttelte den Kopf.
    "Nein, danke."
    Edward verließ mein Zimmer und ich sah auf die Uhr. Es war noch Zeit genug, mich ein wenig frisch zu machen. Ich räumte meine Sache in den großen, etwas klobig wirkenden Kleiderschrank und blickte dann hinaus aus dem Fenster. An die von Hecken durchzogene Parklandschaft schloß sich ziemlich schnell der düstere Wald an. En paar Laternen sorgten für etwas Helligkeit. Den dunklen Schatten einer Katze sah ich lautlos über einen der von Unkraut durchwachsenen Wege huschen.
    Pembroke Manor hatte eine geradezu bedrückende Atmosphäre.
    Und obgleich die Räume viel höher waren, als dies in normalen Wohnungen der Fall war, hatte ich, seit ich dieses graue Gemäuer betreten hatte immer ein bißchen das Gefühl von beängstigender Enge.
    Ein Gefühl, daß mir manchmal den Atem raubte.
    Einen Moment lang stand ich einfach so da, sah zu, wie der Wind die düsteren Baumwipfel hin- und herschwenkte und ließ mich ganz von der Atmosphäre dieses Hauses gefangennehmen.
    Für den Bruchteil einer Sekunde erschien dann dann mit schier unglaublicher Intensität ein Bild vor meinem geistigen Auge. Ein Bild, das mich zutiefst erschreckte und mir kalte Schauer über den Rücken jagte. Ein Frösteln überfiel mich, daß aus dem tiefsten Innern der Seele kam und ich zuckte regelrecht zusammen.
    Ich hatte einen Sarg gesehen.

    *
    Von meiner früh verstorbenen Mutter habe ich eine leichte übersinnliche Begabung geerbt, die sich schon als Jugendliche in Form von Träumen und tagtraumartigen Visionen zeigte, in denen sich die Zukunft spiegelte. Natürlich waren es Bruchstücke, aber ich hatte gelernt diesen Visionen und Ahnungen mehr und mehr zu trauen.
    Lange hatte ich mich dagegen gewehrt, meine Gabe als das zu akzeptieren, was sie war. Aber meiner Großtante Abigail McLachlan, bei der ich nach dem frühen Tod meiner Eltern aufwuchs, war es schließlich gelungen, mich davon zu überzeugen, daß es keinen Sinn hatte, diese Fähigkeit schlichtweg abzuleugnen.
    Ich mußte lernen, damit umzugehen und sie mehr und mehr zu kontrollieren.
    Abigail - oder Tante Gail, wie ich sie nannte - hatte in ihrer Villa eines der größten Privatarchive Englands auf dem Gebiet der außersinnlichen Wahrnehmung und des Okkultismus. Sie interessierte sich brennend für beide Bereiche, blieb aber stets skeptisch, denn natürlich wußte sie nur zu gut, daß sich hier viele Scharlatane tummelten.
    Menschen, die nichts weiter wollten, als sich wichtig zu machen oder Gutgläubigen Geld abzuknöpfen.
    Aber es blieb da ein Rest an ungewöhnlichen Phänomenen, der auf natürliche Weise nicht zu erklären war. Dinge, für die es in der hergebrachten Wissenschaft nicht einmal richtige Begriffe gab. Ich selbst war bereits Zeuge solcher Phänomene geworden und teilte mit Tante Gail die Faszination, die von diesen Dingen ausging.
    Der Sarg...
    Ich versuchte ihn mir ins Gedächtnis zurückzurufen und vielleicht irgend ein Detail erkennen zu können.
    Aber es war unmöglich.
    Wie eine flüchtige Erinnerung war dieses Bild mir entglitten und schon fragte ich mich, ob ich mich nicht geirrt hatte.
    Jemand wird sterben! wurde es mir klar, als ein klopfendes Geräusch mich herumfahren ließ.
    Das Geräusch kam von der Tür, aber ich brauchte einen Augenblick, um wieder in die wirkliche Welt zurückzufinden und das zu begreifen.
    "Ja? Herein!" rief ich etwas atemlos.
    Es war Josh.
    Er öffnete die Tür. Seine Schritte waren auf dem harten Steinboden deutlich zu hören. Das unbeschwerte Lächeln auf seinem Gesicht erstarb, als er mich ansah.
    "Mein Gott, Linda! Was ist passiert?"
    "Passiert?" echote
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