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Der indische Fluch

Der indische Fluch

Titel: Der indische Fluch
Autoren: Alfred Bekker
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meinem Körper. Mein Puls raste und namenloses Entsetzen hatte mich gepackt.
    Es war ein Traum gewesen - ein Alptraum von geradezu furchtbarer Intensität.
    Aber diese Erkenntnis konnte mich nicht beruhigen. Ganz im Gegenteil, denn ich wußte, daß es einer jener Träume war, die mit meiner Gabe zusammenhingen.
    Mir fröstelte und eine Gänsehaut hatte meinen gesamten Körper überzogen. Ich schlug die Decke zur Seite und stand auf. Irgend etwas Furchtbares würde geschehen, das fühlte ich ganz deutlich.
    Ich dachte an den Sarg, den ich in meiner Tagtraumvision gesehen hatte und auf einmal wußte ich, wessen Leben in Gefahr war.
    Das von Gillian Carter.
    Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag vor den Kopf.
    Du wirst zu spät kommen! sagte eine düstere Stimme in mir mit entmutigender Gewißheit.
    Ich zog mir einen Morgenmantel über und und öffnete die Tür meines Zimmers.
    "Hey, Linda! Was ist los?" fragte eine wohlbekannte Stimme. Sie gehörte Josh, der ebenfalls gerade aus seinem Zimmer getreten war.
    Er knöpfte sich sein Hemd zu und stopfte es in die Hose, während er sich etwas irritiert umsah. "Hast du so geschrien, Linda?" fragte er dann.
    "Frag jetzt nicht!" flüsterte ich.
    "Aber..."
    "Komm einfach mit."
    "Es riecht hier seltsam", meinte er dann. "Irgendwie..."
    "Verbrannt", murmelte ich tonlos.

    *
    Als wir die Treppe erreichten, sahen wir die Spinnweben und den Staub. Entsetzen packte mich, als ich sah, daß die Szenerie meines Alptraums Wirklichkeit geworden war.
    "Mein Gott...", flüsterte ich.
    "Was ist hier nur passiert?" fragte Josh, dessen Züge völlige Verständnislosigkeit ausdrückten. Mit dem Finger fuhr er über die Rußflecken an den grauen Steinquadern. Sie färbten schwarz ab.
    "Als ob hier ein Brand stattgefunden hätte... Aber das kann nicht sein! Und der Staub..." Josh schüttelte den Kopf. "So etwas habe ich noch nicht gesehen..."
    "Komm, Josh!" forderte ich.
    "Aber..."
    Ich konnte ihm nichts von meinem Traum sagen. Außer Tante Gail und mir wußte niemand etwas von meiner Gabe und ich hatte gute Gründe dafür, daran nichts zu ändern.
    Wir gingen die Stufen hinab und mit unseren Füßen zerrissen wir die feinen grauweißen Gespinste, sofern wir sie berührten.
    Ich kannte den Weg zu Mrs. Carters Gemach.
    Schließlich hatte ich ihn in meinem Traum gesehen und im übrigen brauchten wir nur der Spur jener unheimlichen Verwandlung zu folgen, die vor unseren Augen offenbar wurde.
    Sie war hier!
    Die Erkenntnis versetzte mir einen Stich. Aber so mußte es sein. Die Frau in rot, hatte diesen Weg längst hinter sich gebracht.
    Als wir in das Halbdunkel des Flures traten, in dem sich Gillian Carters Schlafzimmer befand, trat plötzlich eine dunkle, hochaufgeschossene Gestalt aus dem Schatten heraus.
    Es war Edward.
    "Wir müssen zu Mrs. Carter!" forderte ich.
    Edward sah mich verständnislos an und schüttelte den Kopf.
    "Miss Chester, Sie sollten..."
    "Ihr Leben ist in Gefahr, Edward!"
    "Wie kommen Sie auf diese Idee?"
    "Bitte!"
    Ich versuchte, an ihm vorbeizugelangen, aber er packte mich hart am Arm. "Nein, das kommt nicht in Frage, Miss Chester!"
    "Riechen Sie nicht den Brandgeruch?" fragte ich ihn dann.
    Er nickte und ließ mich los. "Ja", sagte er. "Offen gestanden hat mich dieser Geruch dazu veranlaßt, eine Runde durchs Haus zu machen..."
    "Es ist jemand im Haus!" sagte ich.
    "Und wer?"
    "Die Dunkelhaarige mit dem roten Kleid, auf die ich Sie schon einmal angesprochen habe..."
    "Das ist doch Unfug, Miss Chester!"
    "Haben Sie die Brandflecken neben der Treppe im Empfangsraum gesehen?"
    "Miss Chester..."
    "Edward, ich bitte Sie doch nur darum, mal nachzusehen, ob mit Mrs. Carter alles in Ordnung ist!"
    Der Butler atmete tief durch. Er schien mit sich zu ringen, dann nickte er. Wir folgten ihm bis zu Gillian Carters Schlafzimmertür.

    Edward klopfte an.
    "Mrs. Carter?"
    Die Tür stand einen Spalt offen. Edward sah Josh und mich streng an.
    "Sie bleiben hier!" flüsterte er, während seine Rechte unter das Jackett ging. Als er die Tür öffnete, zerrissen unzählige feine, grauweiße Gespinste. Er machte Licht und ich konnte nicht anders, als hinzuzutreten und einen Blick in das Zimmer zu werfen.
    Edward war kreidebleich.
    Er hielt Gillian Carters schlaf herunterhängenden Arm, um ihr den Puls zu fühlen.
    Als er mich sah, bildete sich in der Mitte seiner Stirn eine senkrechte Furche.
    "Sie ist tot, Miss Chester!" erklärte er tonlos. "Mein Gott, was ist hier nur geschehen..."

    *
    Etwa
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