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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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sind geistiger Art, der beobachtete Vorgang dagegen ist weltimmanent, nicht transzendierbar diesseitig), der sich zwar selbst wieder nicht restlos in die Mensch-Natur-Binarität schmiegt, aber gebraucht wird, um zu zeigen, was von beidem jeweils dem andern vorausgehen muß, um die qualitativen Unterschiede zwischen dem im Labor Geschaffenen und dem von der Natur Bereitgestellten ausmitteln zu können.
    Heideggerianer würden die ganze Natur-Menschenwelt-Differenz für einen verzerrten Höhlenwandschatten der Nichtidentität von Sein und Seiendem halten; der Kritischen Theorie könnte man die Ansicht entnehmen, das Menschengemachte sei selbst nach (und wegen) der Aufklärung dem Verblendungszusammenhang, der Ideologie und der Instrumentalität verfallen, während die Natur das Andere dieses Verhängnisses darstelle, mit dem man sich allerdings nicht ohne Reflexion versöhnen könne; die Luhmannsche Theorie sozialer Systeme würde die Einheit der Differenz von Menschenwelt und Natur in die fraktal selbstähnliche unendliche Reproduktion von allerlei System-Umwelt-Unterscheidungen verfolgen, bis sie in semantischen Tautologien verschwindet; und die völlig Verbohrten der lunatic fringe im Betrieb der sich als kritisch mißverstehenden »Science Studies« der Gegenwart würden die für die meisten praktischen Zwecke historischer Wissenssoziologie als epistemische Erdung in der Forschungs- und Technikwirklichkeit völlig ausreichende These, das Menschengeschaffene sei einfach eine Untermenge des Naturwirklichen, kühn auf den Kopf stellen und die ganze Natur in Bausch und Bogen zur menschlichen Mache erklären.
     
    Alle diese Spielarten der begrifflichen Dualwirtschaft sind erstens undialektisch (die wechselseitige Durchdringung naturhafter und gesellschaftlicher Bestimmungen wird zugunsten metaphysischer Vereindeutigung preisgegeben) und zweitens antimaterialistisch (man hantiert mit metastofflichen Zusatzannahmen, das heißt, man postuliert Entitäten – die aristotelische Essenz, die platonische Idee, die cartesische res cogitans, Heideggers Sein und so weiter – über das von Gaitan praktisch Erschlossene hinaus. Antimaterialistisch, das bedeutet: In allen diesen Modellen soll es mehr und andere Arten von Sachen geben als diejenigen, die man vom Baron d’Holbach bis zu Lenins Streit mit den Erfahrungsbezweiflern »Materie« genannt hat). Das wäre an sich noch kein Beinbruch – wir sind weit davon entfernt, aus irgendeiner unfruchtbaren Orthodoxie, wie sie die marxistische Literatur seit spätestens dem Tod von Friedrich Engels entstellt, nur das Dialektische und das Materialistische gelten lassen zu wollen; wenn alternative Ansätze der Welterschließung in irgendeinem Gegenstandsbereich triftiger wären, müßte man sich von Dialektik und Materialismus eben verabschieden oder sie entsprechend modifizieren.
    Ohne vorwegzunehmen, ob wir das wollen und werden, möchten wir das Gestrüpp der Differenzen zwischen Natur und Kultur sowie der Folgeprobleme, die man sich einhandelt, wenn man diese Differenzen undialektisch und antimaterialistisch zu entfalten versucht, auf dem einfachsten Weg verlassen, nämlich indem wir festhalten, daß Unterscheidungen auch dann nützlich sein können, wenn sie bei höherer Problemauflösung zergehen oder sich im Gröberen nicht mehr durchhalten lassen. Die Ansicht, es könnte überhaupt Unterschiede geben, bei denen die Zurechenbarkeit beliebiger Daten auf einer der beiden Differenzseiten in alle Ewigkeit gewährleistet ist, gehört dem Platonismus und verwandtem Spuk an, wie jeder Abstecher in die Empirie unmittelbar einsichtig macht – der Unterschied zwischen wilden und domestizierten Tieren zum Beispiel: Ob ein Lebewesen zu einer der Mengen gehört, hängt vom Kulturstand der jeweiligen Menschenzivilisation ab, läßt sich aber trotzdem je und je herauskriegen und – zum Beispiel für die Verhaltensforschung – nutzbar machen.
     
    Auf die Differenz zwischen Natur und Menschenwelt ganz zu verzichten, würde dem, was wir begrifflich hier vorhaben, rasch hinderlich; die oben berührten Varianten der näheren Bestimmung dieser Differenz aber taugen für unser Unternehmen aus den genannten Gründen ebenfalls wenig – wir helfen uns daher nominalistisch aus der Klemme, indem wir »Natur« nicht mehr als »das nicht von Menschen Gemachte«, sondern – vorläufig und offen für Revisionen im Gang der Argumentation – als »das der Veränderung durch Kommunikationsakte nicht
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