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Der im Dunkeln wacht - Roman

Der im Dunkeln wacht - Roman

Titel: Der im Dunkeln wacht - Roman
Autoren: PeP eBooks
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dem grellen Licht zu schützen. Nach der langen Zeit in der Dunkelheit war er jetzt vollkommen geblendet. Das Licht der Lampe wurde von einem großen Schraubenschlüssel in seiner Hand reflektiert.
    »Bin ich jetzt an der Reihe, Daniel? Dann musst du mich aber erst mal kriegen«, sagte sie so provozierend wie möglich.
    Sie drehte sich um und schirmte das Licht mit der Hand ab. Sie musste den Plankenweg vor sich erkennen und durfte nicht stolpern. Das konnte katastrophale Folgen haben. Als sie die erste Planke erreicht hatte, blieb sie stehen und lauschte.
    Schritte und schweres Atmen waren in der Dunkelheit zu hören. Er hatte den Köder geschluckt und verfolgte sie. Irene schirmte das Licht noch weiter ab und begab sich auf den Plankenweg. Sie wusste, dass der Weg genau 1,1 km lang war und dass immer zwei Planken nebeneinander lagen. Selbst bei Tageslicht musste man sich sehr konzentrieren. Bei Dunkelheit war es richtig anstrengend. Daniel konnte sich nicht so schnell bewegen wie sie, weil er dann riskierte, neben die Planken zu treten. Hier am Rand des Moors würde er zwar nur nasse und schmutzige Schuhe bekommen. Aber weiter im Inneren gab es wassergefüllte Sumpflöcher, die mehrere Meter tief waren. Irene konnte sich
dank ihrer Taschenlampe relativ sicher fortbewegen. Sie durfte den Abstand zwischen ihnen nicht zu groß werden lassen, damit er nicht aufgab und umdrehte. Manchmal schrie sie auf, so als wäre sie abgerutscht und in das eiskalte Wasser getreten – die Erfahrung hatte er auch schon gemacht. Langsam bewegten sie sich immer weiter in den Sumpf hinein.
    Es war feucht und ungemütlich. Nebelschwaden umwehten sie und griffen nach ihrem heißen Gesicht wie kalte Finger. Es schauderte sie in ihrem Wollpullover. Die Jacke hatte sie im Auto liegenlassen, um sich in ihrer Beweglichkeit nicht einschränken zu lassen. Es roch durchdringend nach Gagel und Moorwasser. Scharfes Riedgras schlug ihr gegen die Waden und durchnässte ihre Hose, als sie mit den Grasbüscheln in Berührung kam. Gelegentlich hallten ein Vogelruf oder ein Tierlaut durch die Stille. Irene hörte, dass sich irgendein großes Tier durch den Sumpf bewegte. Die Wölfe waren scheu, und man hörte sie nicht, wenn sie sich anschlichen. Vorzugsweise verbargen sie sich ganz tief im Wald. Wahrscheinlich also ein Elch, aber es konnte auch ein Bär sein. Schließlich befand sie sich im Bärenmoor.
    Es war seltsam, dass sie so viel um sich herum wahrnahm. Irgendwie fühlte sie sich im Moor sehr zu Hause. In der tiefen Dunkelheit fühlte sie sich geborgen. Die ganze Zeit spürte sie, wie die Planken unter dem Gewicht ihres Verfolgers vibrierten. Er hatte, ohne ein Wort zu sagen, die Verfolgung aufgenommen. Alles passierte, wie sie erwartet hatte. Aus seiner Perspektive war die Situation ideal. Eine Frau, die sich nicht verteidigen konnte und die allein in der Dunkelheit um ihr Leben lief. Er glaubte, der Jäger zu sein.
    Seine Beute unterschätzte er allerdings.
    Sie hatten die ersten Wasserlöcher passiert. Sie waren nicht zu sehen, aber Irene wusste genau, wo sie sich dunkel und kalt neben den Planken auftaten. Sie seien bodenlos, hatte ihre
Schwiegermutter einmal gesagt, und die beiden Deutschen waren schließlich darin ertrunken.
    Irene schätzte, dass sie inzwischen etwa achthundert Meter zurückgelegt hatte. Das bedeutete, dass es bis zu dem Platz, den sie ins Auge gefasst hatte, noch etwa hundert Meter waren. Sie spürte immer noch, wie die Planken unter Daniels Gewicht bebten. Er hatte nicht vor aufzugeben. Sie beschleunigte. Sie brauchte einen etwas größeren Abstand, um ihren Plan umzusetzen. Sie betete still, niemand möge die Planken beim sogenannten deutschen Sumpf repariert haben. So hieß die Stelle seit zwanzig Jahren. Ihr Herz überschlug sich beinahe, als sie sich den Brettern über dem Wasserloch näherte, in dem das Touristenpaar den Tod gefunden hatte. Rasch leuchtete sie ein paar Meter voraus. Dort waren sie! Die losen Planken.
    Sie führten über den großen Sumpf und waren nach all den Jahren schon etwas morsch. Sie waren zu lang und mussten dringend durch bedeutend dickere Bretter ersetzt werden. An den Enden hatten sich auch die Nägel unter dem Gewicht der vielen Wanderer gelöst. Das war Krister und ihr aufgefallen, als sie im Sommer Multebeeren pflückten. Sie hatten mehrere Male darüber gesprochen, wie gefährlich es sei, alles beim Alten zu lassen. Es konnte schließlich ein Unglück geschehen. Vorsichtig balancierte
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