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Der im Dunkeln wacht - Roman

Der im Dunkeln wacht - Roman

Titel: Der im Dunkeln wacht - Roman
Autoren: PeP eBooks
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vom Vorabend verstärkte die Gerüche. Ihr Garten wirkte wie in der Stunde der Schöpfung, ein letztes trotziges Aufbäumen gegen den unbarmherzig herannahenden Herbst. Die üppigen Herbstastern glühten dunkelrot in den gusseisernen Behältern neben der Treppe. In diesem Jahr blühten sie besonders prächtig.
    In Pantoffeln machte sie sich auf den Weg zu der niedrigen Gartenpforte, beugte sich schließlich darüber und nahm die Zeitung aus dem Briefkasten am Zaun. Sie drehte sich um und wollte eben wieder zurückgehen, hielt aber mitten im Schritt inne. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie es realisierte. Das Bänkchen, das sonst zwischen den beiden Küchenfenstern stand, war verschoben worden. Jetzt stand es mitten im Beet, unter einem Fenster. Die frisch gepflanzten Rosenbüsche hatten gelitten, mehrere Zweige waren abgeknickt. Erzürnt hob Irene die Bank hoch und stellte sie an ihren Platz an der Wand zurück. Merkwürdig. Hatte sie gestern Abend nicht noch dort gestanden?
     
    »Glaube ich auch«, antwortete Krister, als sie ihn wenig später fragte.
    Er stand am Herd und briet Spiegeleier. Auf einem Teller lagen
bereits knusprig gebratener Speck und einige Tomatenhälften. Was Irene betraf, war eine solide Mahlzeit am Morgen verlorene Liebesmüh. Seit mehreren Jahrzehnten bestand ihr Standard frühstück aus drei Tassen schwarzem Kaffee und einem oder zwei Käsebroten. Neuerdings war ihr Mann jedoch der Auffassung, ihre Frühstücksgewohnheiten seien verwerflich. Vielleicht stimmte das ja auch, aber ihr passten sie. Wenn Irene wagte, Spiegeleier mit Speck und ihrem schädlichen Cholesterol als nicht sonderlich gesund zu bezeichnen, wischte Krister diesen Einwand mit der Bemerkung beiseite: »Glyx-Diät! Eine Welt von Diätjunkies kann nicht irren!« Die Wahrheit war allerdings, dass er abnehmen musste, und nicht etwa sie.
    Krister stellte ihr einen Teller Glyx-Frühstück hin. Wie immer stocherte sie nur darin. In solchen Augenblicken war sie versucht, Veganerin zu werden. Wie Jenny. Ihre Tochter praktizierte das seit nunmehr fast zehn Jahren. Sie ließ sich gerade an einer Schule in Amsterdam im vegetarischen Kochen ausbilden, Schwerpunkt vegane Kost. Jenny war in die Fußstapfen ihres Vaters getreten, wenn auch nicht ganz so, wie dieser sich das vorgestellt hatte.
    »Aber du musst doch zugeben, es ist seltsam, dass die Bank auf einmal woanders steht«, beharrte Irene.
    »Ach was, das waren sicher Viktor und seine Freunde, die sich einen Spaß erlaubt haben«, meinte Krister.
    »Warum sollte Viktor … ja, vielleicht.«
    Der Junge aus dem Nachbarhaus war zehn und machte mit seinen Freunden die Gegend unsicher. Aber Irene hatte den Eindruck, dass sich die Jungen trotz allem gut mit den meisten Nachbarn verstanden. Zu großen Unfug hatten sie bisher nicht getrieben. Sie konnte sich auch schwer vorstellen, warum die Jungen das Bänkchen in die Rosenbüsche gezerrt haben sollten. Das erschien sinnlos. Das Küchenfenster lag so niedrig, Viktor konnte auch ohne Bank hineinschauen und musste sich dabei nicht einmal auf die Zehenspitzen stellen.

    Sie schob die Gedanken an die Bank beiseite und goss sich ihre dritte Tasse Kaffee ein.
     
    Am Morgen darauf erwachte Irene bereits um sieben Uhr, obwohl es ihr freier Samstag war. Krister war am Vorabend erst spät aus dem Restaurant heimgekommen. Sie hörte seine ruhigen, leise zischenden Atemzüge neben sich. Er würde noch eine Weile gut schlafen. Sie stahl sich aus der Wärme des Bettes. Als sie aus dem Bad kam, zog sie ihre Joggingsachen an und streifte sich wie immer auch den elastischen Knieschutz über. Inzwischen bekam sie Schmerzen, wenn sie ihn beim Laufen nicht benutzte. Der Verfall setzt ein, dachte sie grimmig.
    Sie öffnete die Haustür und nahm die Treppe mit einem Satz. Dann blieb sie einige Sekunden bewegungslos mit nach vorne gerichtetem Blick stehen. Ganz langsam drehte sie sich um. Die prächtigen Herbstastern waren aus den Kübeln gerissen worden und lagen verstreut auf dem Rasen.
     
    »Viktor würde so etwas nie tun!« Malin, Viktors Mutter, verschränkte die Arme vor der Brust und sah ausgesprochen beleidigt aus. Irene versuchte es mit einem versöhnlichen Tonfall.
    »Ehrlich gesagt, glaube ich auch nicht, dass …«, begann sie.
    »Warum kommen Sie dann und beschuldigen ihn, wenn Sie selbst nicht daran glauben?«, fauchte Malin.
    Irene sah ein, dass dieser Wortwechsel den nachbarschaftlichen Beziehungen nicht sonderlich zuträglich war. Ihr
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