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Der Hypnosearzt

Der Hypnosearzt

Titel: Der Hypnosearzt
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Polizeimütze.
    »Sie können sich's ja noch überlegen«, sagte die Politesse fröhlich. »Dann überlege ich es mir, ob ich Ihnen ein Knöllchen verpasse.«
    »Sehen Sie nicht das Schild an meiner Windschutzscheibe? Ich bin Arzt.«
    »Da gibt's noch 'n Schild!« Ihr Bleistift deutete über seinen Kopf. »Halteverbot!« Dann war das Lächeln plötzlich weg, und ihre Augen wurden aufmerksam: »Geht's um die Tante Frosch?«
    »Ja.«
    »Oh, das ist was anderes.« Sie steckte das kleine schwarze Buch mit den Formularen weg. »Machen Sie mal, Doktor. Sagen Sie der Tante Frosch 'nen Gruß, ja? Von Ilse. Sie weiß schon.«
    Er drückte die Gartentür auf. Die Haustür war unverschlossen, und er dachte daran, daß vielleicht die Gemeindeschwester inzwischen gekommen sein könnte, aber die Garderobenhaken waren leer.
    Der lange schlauchartige Korridor lag in einer düsteren sepiafarbenen Dämmerung. Am Ende, dort, wo die Küchentür halb offen stand, gab es ein wenig Licht.
    Stefan war stehengeblieben. Er rührte sich nicht. Die Stille im Haus war wie eine schwere dunkle Decke, die sich über ihn senkte, ihm das Denken, nahezu den Atem einengte. Alle seine Vorsätze erschienen ihm so unwirklich und leblos wie eine alte Gebetsformel. So stand er und unterdrückte nur mit Mühe den Wunsch, an der zweiten Tür dort vorn einfach rechts vorbei in den Garten zu gehen. Dort gab's den Schuppen. Und gleich daneben das Rund des Brunnens aus Tuffsteinen, den sein Großvater noch gemauert hatte. Stefan selbst hatte später im Schutt einer Abbruchhalde den Frosch gefunden: einen Frosch aus Zement. Er hatte den Frosch auf den Tuffsteinrand gesetzt und mit grüner Ölfarbe angemalt. Es war ein Zementfrosch, gewiß, aber der Brunnen war ja auch kein richtiger Brunnen, sondern eine kreisrunde Mauer, aus der im Herbst die Brennesseln wuchsen. Aber was besagte das schon? Nichts. Für Stefan, für Dagmar, auch für Tante Frosch blieb es ein Brunnen, unendlich tief und mit dunklem Wasser gefüllt …
    Er öffnete die Tür zum Wohnzimmer. Groß war es nicht, vielleicht drei mal vier Meter. Das einzige Fenster ging nach Norden, doch den Blick auf das nächste Haus verdeckten die Blätter des Pflaumenbaums, der ziemlich nahe an der Grenze stand und Stefans Großvater Jahre des Ärgers und Streits mit dem Nachbarn gekostet hatte.
    Rechts stand die große Vitrine, eine dunkelbraune Schauerbastion aus Glas und furniertem Holz, in der Mitte ein runder Tisch über dem seit Jahrzehnten die grünrote Häkeldecke hing, die Rosi selbst gemacht hatte. In der anderen Ecke standen der Fernseher mit dem Sessel und gegenüber das Bett, das eigentlich ein altes Sofa war. Es war mit braunem, verschlissenem Stoff bezogen. Das Rosenmuster darauf war kaum mehr erkennbar. Fuß- und Kopfende hatten Metallgelenke, so daß man sie absenken konnte und genügend Platz zum Schlafen gewann.
    Die geöffnete Tür verhinderte den Blick zum Sofa.
    Stefan war stehengeblieben und nahm den Raum in sich auf.
    Es gab kein Bild im Wohnzimmer, nur eine einzige Fotografie, eine Vergrößerung, die in einem scheußlich kitschigen rosa Plastikrahmen steckte und über dem Fernseher hing. Es war ein Farbabzug, und er zeigte den fünfzehnjährigen Stefan Bergmann in einem blauen verbeulten Trainingsanzug, verschwitzt und grinsend. Den rechten Arm hatte ›Steffen‹ erhoben, in der linken Armbeuge hielt er einen Fußball.
    Wieder spürte er, wie sich etwas in seiner Brust zusammenzog. Er atmete tief durch, trat ein und schloß die Tür hinter sich.
    Sie lag, den Oberkörper halb aufgerichtet, die beiden Arme auf der frisch überzogenen Bettdecke und sah ihm entgegen.
    Zwei Kissen steckten hinter ihrem Rücken. Berta, die Gemeindeschwester, mußte inzwischen dagewesen sein. Irgend jemand hatte Rosis dünnes verbliebenes Haar gekämmt und war für die beiden komischen Zöpfchen verantwortlich, die rechts und links von Rosis Kopf abstanden.
    Stefan sah auf sie herab, und wieder wurde es ihm schwer, ihr Gesicht zu ertragen, die tabakfarbenen Tränensäcke, die Haut, die sich über ihre Wangenknochen spannte und darunter zu fein gestrichelten hängenden Lappen wurde, der Mund und die Kieferknochen, die das Gebiß kaum halten konnten. Doch Rosis Iris war klar und ihr Blick wach und direkt.
    »Steffen …«
    »Ja?«
    »Steffen, du warst beim Krüger, was? Wieso … wieso hast du mich dann angelogen?«
    »Hab ich das?«
    »Sicher. Da war doch was mit 'nem Brief.«
    Er setzte sich neben sie. Sie
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