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Der Hypnosearzt

Der Hypnosearzt

Titel: Der Hypnosearzt
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Augen konnte man sehen, wer das ist … auch, was das für ein Mensch ist … Und der Schürner war ein ganz netter Mensch …«
    »Und ein guter Arzt«, sagte er.
    Er ließ sie nicht aus den Augen. Ihre Hände lagen flach auf dem Kissen, er beobachtete, wie die Schultern leicht nach vorn sackten. Seine Stimme, die Anstrengung, sich konzentrieren zu müssen, hatten ihr Wahrnehmungsvermögen bereits reduziert. Sie war hoch suggestibel, zum Glück. Seine Gegenwart, die Blickfixierung hatten gereicht, einen leichten Trancezustand herbeizuführen. Die Realität begann ihren Zugriff auf Rosi zu verlieren, nur Stefans Stimme war noch Wirklichkeit. Rosis Mundwinkel senkten sich, und auch die tausend Falten in ihrem armen Gesicht begannen ihre Spannung zu verlieren. Stefan war im Begriff, in die Welt ihrer Vorstellungen einzudringen, nun würde er davon Besitz nehmen.
    »Ist etwas mit deinen Augen, Tante Rosi?« Seine Frage kam sanft und teilnahmsvoll. »Werden sie nicht schwer? Nicht wahr, du hast doch das Gefühl, als wär' so ein leichtes Brennen darin?«
    »Ja.«
    »Und nicht nur die Lider, auch die Augäpfel, die sind so schwer.«
    »Ja, Steffen.«
    »Und dein Körper auch … Schwer und schwerer wird er, so angenehm schwer.«
    Mit den Fingerspitzen berührte er leicht ihre rechte Hand. Es kam keine Reaktion.
    »Deine Augen, Rosi … Versuch mal, sie zu öffnen. Du kannst es nicht! Selbst wenn du wolltest, es geht nicht …«
    Ihre Lider zitterten. Er wußte, ihr Wachbewußtsein hatte sich nun aufgelöst. Etwas Neues war an diese Stelle getreten, eine übersensible Aufmerksamkeit, die Rosis Bewußtsein nur auf eines, auf seine Stimme konzentrierte. Er übernahm die Führung ihrer Vorstellungen.
    »Ich halt jetzt deine Hand, Rosi, spürst du es? So, ich halte sie ganz ruhig. Und jetzt, Rosi, jetzt zwicke ich in die Haut … ganz stark. Aber nicht wahr, du fühlst es nicht. Du fühlst gar nichts … Nun nehm ich eine Nadel …«
    Stefan griff zu der Akupunkturnadel, die er zuvor vorbereitet hatte, zog mit Daumen und Zeigefinger aus der Mitte ihrer Hand einen Hautstreifen nach oben und stach durch – von rechts nach links.
    Rosi zuckte nicht einmal mit der Wimper.
    »Nichts hast du gespürt, Rosi, gar nichts. Aber du hörst den Wecker, tick-tick-tick … Ja, Rosi, hör ihm nur zu. Es ist wie der Schlag eines lieben, großen Herzens.«
    Ihre Augen waren nun fest geschlossen. Es war, als flösse über ihr Gesicht eine Welle der Ruhe, die selbst die Verwüstungen des Leidens zu glätten vermochte.
    Bisher hatte Rosi sich in einem mittleren Trancezustand befunden.
    Nun mußte Stefan sie tiefer führen, bis jeder, auch der letzte Gedanke sich auflöste und ihr Bewußtsein einer matten leeren Leinwand glich, auf die sich neue Vorstellungen und Bilder projizieren ließen. Die aber kamen von ihm.
    »So ruhig und freundlich ist alles um dich. Du spürst, wie du müde wirst, du spürst den Schlaf, Rosi. Mit jedem Atemzug wirst du müder und müder … Mit jedem Atemzug entspannt sich dein Körper mehr und mehr, alles entspannt und lockert sich, jeder Muskel, jede Sehne, jede Zelle in dir … So wunderbar ist es, zu spüren, wie sich alles entspannt. Dein Gesicht, wie es sich entspannt, die Stirn, die sich entspannt und kühl wird, die Augen, die Nase, die Wangen, der Nacken, der Mund … Jetzt der Kiefer, alles ist ganz entspannt, ruhig und schwer … Nun die Zunge … Spürst du sie? Schlaf, Rosi, schlaf …«
    Und sie schlief.
    Er baute ihre Trance noch tiefer aus.
    »Nichts mehr bedrängt dich, Rosi, nichts mehr existiert, nichts mehr ist da außer deinem Atem … Folge ihm, konzentriere dich ganz darauf, wie gleichmäßig er doch auf und ab fließt, ja, dein Atem ist wie eine Welle – auf und ab und auf und ab. In deinem ganzen Körper ist es ein Auf und Ab, im Brustkorb, im Rumpf, den Hüften … Alles öffnet sich, die Blutgefäße, jede Nervenbahn, sie öffnen sich … Du spürst die Kissen des Bettes. Sie sind so angenehm, so weich, du spürst, wie sie die Schwere tragen, die dich erfüllt. Ruhig, Rosi, ruhig und regelmäßig schlägt dein Herz, und mit jedem Schlag sinkst du tiefer und tiefer, und nichts kann dich mehr stören. Nur noch Schwere und Wärme sind in dir, und mit jedem Atemzug sinkst du tiefer und tiefer und fühlst dich wohler und wohler …«
    Er führte sie sanft, aber entschieden, stellte sich dabei vor, wie seine Gedanken zu einer Hand wurden, die Rosi führte, und seine Stimme zu einer Brücke in ihr
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