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Der Hypnosearzt

Der Hypnosearzt

Titel: Der Hypnosearzt
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ließ ihn nicht aus den Augen. Er beobachtete ihre eingefallenen Wangen, er sah die schwachen, krampfhaften Bewegungen der bläulichen Lippen, die um ein Lächeln kämpften und es doch nicht zustande brachten.
    »Aber den hab ich doch eingeworfen.«
    Jetzt log er tatsächlich.
    Rosis Blick blieb aufmerksam, die Stimme wirkte lebendig, die Pupillen schienen reichlich groß, beinahe normal. Die Wirkung des Dipidolor mußte längst abgeklungen sein; trotzdem schien Rosi im Augenblick keine Schmerzen zu haben. Zumindest keine schweren.
    »Wie oft nimmst du deine Tabletten?«
    »Dreimal. Immer zwei. Und immer nach dem Essen.« Sie sprach schwach, langsam – aber relativ mühelos. »Einmal habe ich vor dem Schlafengehen sogar drei genommen. Da hat die Berta mich dann schön ausgeschimpft.«
    »Und heute? Hast du schon gegessen?«
    Sie schüttelte schwach den Kopf.
    »Essen? Die Berta war mit ihrem Brei da. Wie bei einem Baby. Das steht mir bis hier oben, sag ich dir. Schon wenn ich dran denke, wird mir schlecht …«
    Das Dipidolor mußte also keine Wirkung mehr haben? Trotzdem schien es Rosi relativ gutzugehen. Wenn sie Glück hatten, dann hatten hormonelle Schmerzblocker die Arbeit übernommen, und Rosi befand sich tatsächlich im schmerzfreien Intervall.
    »Du hast also wirklich die letzte Tablette …«
    »Wieso fragst du immer?« sagte sie müde. »Ich nehm sie schon nach dem Essen. Aber das muß ich erst mal schaffen …«
    Er brachte seinen Arztblick zustande, beugte sich in Verschwörerhaltung nach vorn. »Soll ich dir etwas sagen, Rosi? Weißt du noch, damals vor drei Jahren, als du diese schrecklichen Kopfschmerzen hattest?«
    »O ja. Das war ja auch ziemlich schlimm, Steffen, aber …«
    »Aber sie gingen vorbei …«
    »Die Migräne hast du mir weggemacht, Steffen, stimmt!«
    »Nicht ich, Rosi, wir haben sie weggebracht. Das tun wir jetzt wieder …«
    »Steffen, das … das war doch nichts …« Sie sprach jetzt mühsamer, manche Worte waren nur schwer zu verstehen. »Was jetzt ist, kann man gar nicht beschreiben. Das ist so, als würden sie … als würden sie dir den Bauch mit Blei füllen, mit heißem Blei … so wie das in manchen alten Kirchenbüchern steht, wenn sie von der Hölle reden. Das ist wie ein Meer, das dich verschlingen will, ein Meer aus heißem Blei … Wenn's schlimm kommt, Stefan, wenn's dann wirklich … Dann helfen auch die Tabletten nicht, dann hilft nischt …«
    Bergmann lächelte weiter. »Wir kriegen das weg. Du wirst sehen.«
    »Steffen, soll ich dir was sagen? Ich hab da oben so 'nen alten Strumpf, 'ne Wollsocke, und in die beiß ich immer rein. Ich kann doch nich' immer schreien, was? Und so beiß ich einfach rein und hab den ganzen Mund voll Fusseln … So ist das.«
    Er brachte seine Augen noch näher. »Wir kriegen es weg.«
    »Wer – wir?«
    Er hatte sich so weit nach vorn gebeugt, daß sich ihre Stirnen beinahe berührten. Er sah Rosi unverwandt an. »Du und ich, Rosi … wie damals. Glaub mir.«
    Glaub mir, hörte er sich sagen, und dachte, genau das ist es.
    Nichts als eine Sache des Glaubens – wie in den alten Kirchenbüchern.
    »Meinst du, Steffen? Ja, wirklich, wenn du mich so anguckst … Ich bin so müde … Damals hatte ich auch keine Schmerzen.«
    Er nahm ihre Hände in seine, fühlte mit dem Daumen diese papierdünne, kühle, feuchte Haut, die nichts anderes schien als eine Membrane, die ihre Knochen bedeckten.
    Er hob die Stimme, um zu verhindern, daß Rosi ihm wegdämmerte.
    »Hör zu, Rosi. Erinnerst du dich, wie das war, als sie dich damals im Knappschaftskrankenhaus operiert haben? Als sie das mit der Schilddrüse gemacht haben?«
    »Ja, Stefan. Der Doktor Schürner …«
    »Nichts hast du gespürt, Rosi. Weißt du noch? Gar nichts. Und die haben drei Stunden lang an dir herumgewerkelt.«
    »Eigentlich ging's mir gut bei denen dort … in diesem Operationssaal. Ganz gut. Die haben sogar Musik gemacht.«
    »Ja, das hast du mir erzählt.«
    Er senkte die Stimme wieder und verlieh ihr einen gleichmäßigen sanften und sehr eindringlichen Ton.
    »Rosi, sag mir, wie das war. Erinnere dich, Rosi, erinnere dich an alle Einzelheiten … Das kannst du doch.«
    »Musik …« Die Worte kamen leise, schläfrig. »Der Schürner war da. Der war aber nicht allein. Da stand ein ganzer Haufen Leute, die hatten alle so komische Tücher um den Kopf …«
    Ihre Stimme brach ab, der Atem war ruhiger geworden.
    »Weiter, Rosi!«
    »Den Schürner hab ich sofort erkannt. An den
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