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Der Hypnosearzt

Der Hypnosearzt

Titel: Der Hypnosearzt
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wieder.
    »Das mit der Rosi, das ist besonders traurig. Ich mag sie. Sie ist ja eine meiner ältesten Patienten. Macht alles keinen Spaß mehr, Stefan.«
    »Wieso, verdammt noch mal, hast du mich nicht angerufen?«
    Krüger sah ihn nur an, und Bergmann spürte, wie er unter diesem Blick rot wurde.
    Er senkte die Lider. Es wurde ihm noch mieser zumute.
    »Ich habe mit deiner Schwester gesprochen«, hörte er Krüger sagen. »Und ich habe mir eingebildet, daß das reicht.«
    Stefan nickte.
    Und da kam es: »Sie hat ein Karzinom.«
    »Und wo?«
    »Pankreas. Bauchspeicheldrüse.« Krüger beugte sich ein wenig nach vorn und legte die schweren Hände auf den Tisch.
    »Mensch, Steffen! Du weißt doch, wie das ist bei Leuten wie Tante Frosch. Man hat Bauchweh, aber es tut ja nicht so richtig weh. Wer rennt da gleich zum Arzt? Die paar Schmerzen, nicht wahr? Monatelang lief sie damit herum, mit den ›paar Schmerzen‹, während der Krebs sich in ihre Bauchspeicheldrüse hineinfraß. Und als sie dann endlich bei mir auftauchte …«
    Er hörte auf zu reden, rieb sich die dicke Nase und starrte Bergmann erbittert an.
    »Und das Karzinom sitzt im Pankreas?«
    »Ja. Es hat metastasiert. Was glaubst du, was mich das gekostet hat, Rosi in die Röhre zu schieben. Die hat sich aufgeführt wie ein Maulesel. Aber die Computertomographie bleibt nun einmal die leistungsfähigste Untersuchungsmethode.«
    »Und in welchem Stadium?«
    »Inoperabel, Steffen. Leider. Ich geb ihr nicht mehr als drei Wochen.«
    Bergmann schloß die Augen. Das war keine Last mehr, es war ein Steingebirge, das ihn in den Sessel drückte.
    »Das Ding hat im ganzen Bauchraum metastasiert, aber sie will nun mal nicht ins Krankenhaus, und langsam finde ich, sie hat auch recht. Sie braucht's nicht. Die Gemeindeschwester ist ihre Freundin. Und die Berta ist ganz prima, die steht jederzeit auf der Matte. Aber da sind diese elenden Schmerzen … Da hilft dann nur noch das stärkste Zeug. Und du weißt doch, wie in ihrem Alter so was auf den Kreislauf geht. Und auf die Atmung.«
    Bergmann schwieg weiter.
    »Ich hab schon mit Winterfeld telefoniert«, sagte Krüger. »Winterfeld vom Knappschaftskrankenhaus. Ein Top-Chirurg. Ich dachte an eine Ganglionektomie zur Schmerzausschaltung. Aber Winterfeld meint, in dem Zustand würde sie den Eingriff nicht überleben.«
    Bergmann hatte beide Hände auf die schwarze Glasscheibe von Krügers Schreibtisch gelegt. Er fühlte, wie seine Finger feucht wurden und am Glas klebten.
    »Die Leber?«
    »Ist auch schon befallen. Es tut mir so leid, Stefan, wirklich. Berta erzählt mir manchmal, wie die Rosi das alles durchsteht. Schmerzattacken bis zur Ohnmacht. Und wenn sie aufwacht, bringt sie doch tatsächlich noch 'nen Witz. Wirklich, ein Held ist Rosi, unglaublich tapfer, unglaublich …«
    »Und?« fragte Bergmann. »Was hilft ihr das?«
    Der graubraune Schleier, der auf den Dächern, Hausfassaden und Straßen lag, ließ jede Farbe matt werden. Die Geranien blieben die einzigen bunten Punkte, die Geranien und die Autos, die am Straßenrand standen. Unter dem Asphalt gab es noch immer Kohle; es gab sie in tausend Metern Tiefe, und es gab sie im Übermaß, aber das ›schwarze Gold‹ brachte kein Geld mehr, nicht einmal das bißchen Geld, das nötig gewesen wäre, um das Elend hier oben ein wenig zu verbessern, ein paar neue Gebäude hinzustellen, ein wenig Leben zu mobilisieren. Das Mühlbachviertel war abgeschrieben.
    Bergmann hatte den Wagen an der Kanalbrücke geparkt und war ausgestiegen. Er hatte beide Hände auf den nassen grünen Stahl des Geländers gedrückt und blickte auf das Wasser hinunter. Immer hatte es auf ihn so schwarz gewirkt, schwarz wie Asphalt oder Kohle – und so tot. Heute jedoch? Der Mühlbach tobte. Er schäumte gegen die Brückenlager, ließ den Belag zittern, warf Schaum über die Fahrbahn.
    Stefan drehte den Kopf.
    Auch Kronachers lustige Fahnen waren zu dunklen nassen Lappen geworden, die sich um ihre Stangen wickelten.
    Zu spät, dachte er wieder. Er haßte die beiden Worte. Sie waren wie Hämmer in seinem Nacken, und sie schlugen weiter zu, während er auf den dahinschießenden Mühlbach zu seinen Füßen starrte, auf das Monster, das der Mühlbach geworden war, auf die heftigen kurzen Wellen, die kreisenden abgerissenen Zweige, die weißlichen Ketten von Gischt. Zu spät!
    Ja, am Anfang, als das verdammte Karzinom sich herauszubilden begann, und bei alten Leuten wie Rosi nimmt es sich dazu Zeit, zu
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