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Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen
Autoren: Niklaus Schmid
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Fock dicht, damit unser Mädchen steil in den Wind kommt! Fertig machen zur Wende!«
    Das war ein ganz anderer Salm, als ich ihn kannte.
    Wir kreuzten gegen den Wind, der Bug schnitt in die Wellen, Gischt stob über Deck. Ich hatte Salzgeschmack auf den Lippen. Mir wurde kalt. Ich kramte meinen Pullover aus dem Leinensack.
    »Hast du mal eine Öljacke für deinen Vorschotmann?« fragte ich, mit einem Fuß schon auf der Treppe.
    Er hielt mich am Ärmel zurück. »Übernimm mal das Steuer! Ich kenne mich da unten besser aus«, sagte er mit schiefem Lächeln und verschwand in der Kajüte. Wenig später stand er wieder an Deck.
    Nach weiteren zehn Minuten ließ ich mich am Steuer ablösen, um die Bordtoilette aufzusuchen. Diesen Gang konnte er mir ja nicht abnehmen. Außerdem hatte Salm eine Menge zu tun. Die See war kabbelig, und wir näherten uns der Insel Vedra, die der Südwestküste Ibizas vorgelagert war und sich jetzt wie ein grauroter, schroffer Felsendom aus tintenblauem Wasser erhob. Das Gebiet um die Insel Vedra galt als eine der schönsten Stellen der Balearen, wie ich soeben von Salm erfahren hatte, war aber für Jachten nicht ganz ungefährlich.
    Ich schloß hinter mir die Kajütentür.
    »Wirf kein Papier ins Klobecken!« rief Salm mir nach, obwohl er meine wahren Absichten bestimmt kannte. Sicher wußte er auch, daß ich wußte, daß er es wußte. Aber so ist das nun mal unter Freunden.
    Im Salon fiel mir zuerst der Schachcomputer mit den Steckfiguren auf. Außer den üblichen Handbüchern seetechnischer Art sah ich viele Bände, von denen man gern sagt, das lese ich, wenn ich mal viel, viel Zeit habe. Garcia Marquez’ Hundert Jahre Einsamkeit war auch darunter. Satellitenfunkgerät, Weltempfänger – alles vorhanden. Auf der Seekarte, die das westliche Mittelmeer abdeckte, war schon der Kurs bis Gibraltar mit Bleistift eingezeichnet. Die Anschlußkarten reichten bis zu den Kanarischen Inseln. Puerto Rico im Süden von Gran Canaria war der Absprunghafen für den Törn über den Atlantik. Von wegen kleiner Ausflug nach Ibiza!
    Ich hörte, wie das Großsegel flatterte. Das Boot hatte den Kurs verlassen. Salm bereitete eine Halse vor, und danach würde er den Autopiloten einschalten. Mir blieben nur noch wenige Minuten.
    Die Stauräume unter den Polstern der Eignerkoje waren mit Konserven gefüllt. Alles keine Überraschung. Aber noch ging das Puzzle nicht auf. Das Kernstück fehlte.
    Eine 12-Meter-Jacht ist kein Frachtschiff, bietet jedoch eine hübsche Anzahl von Verstecken. Ich machte ein paar Stichproben, wußte aber, daß es an und für sich aussichtslos war.
    Die Pistole fand ich mehr nebenbei. Nun, Waffen findet man immer leicht, weil die ja nur sinnvoll sind, wenn sie dem Besitzer im entscheidenden Augenblick in die Hand springen. Es war eine Polizeipistole Sig Sauer P6. Sie steckte in einer Halterung unter dem Hubtisch im Salon.
    Ich schob sie an ihren Platz zurück und riß noch die Stauräume im Vorschiff auf, bis ich dann im Rücken seine Stimme hörte: »He, Schlömm, soll ich dir beim Suchen helfen?«

54.
     
     
     
    Mit sichtbarer Freude betrachtete er mein erschrockenes Gesicht. »Komm, Schlömm, setzen wir uns. Ich habe die Selbststeuerungsanlage eingeschaltet, vortreffliche Hilfe für Einhandsegler.«
    Er zwängte sich am Hubtisch vorbei in eine Rundung der U-förmigen Sitzbank und legte die Arme weit ausgebreitet auf die Rückenpolster.
    Ich setzte mich ihm gegenüber. »Wieviel sind es denn?«
    »Genau 1,2 Millionen, meine Reisekasse. Abhauen, neue Horizonte, das war schon lange mein Traum. Willst du etwa bis zum Rentenalter untreuen Ehemännern nachschnüffeln? Komm, mach mit! Es langt für uns beide. Was hast du zu verlieren? Du gibst doch nicht viel auf, ein altes Auto, einen abgetretenen Teppich in deinem Büro. Das einzig Wertvolle, was du besitzt, steckt in dir. Ich brauche einen Menschen wie dich, ehrlich! Zusammen wären wir unschlagbar.«
    Seine Worte klangen recht gut gewählt, und vor nicht langer Zeit hätten sie mich sogar überzeugt.
    »Wohin soll’s denn gehn?«
    »Der übliche Trampelpfad: Kanaren, rüber in die Karibik, das Meer ist weit, es gibt viele Inseln, interessante Häfen.«
    »Und in jedem lauert die Angst, entdeckt zu werden.«
    »Zuviel Aufwand!« winkte er mit einer Geste ab, die seine neugefundene Selbstsicherheit widerspiegelte.
    »Ich spreche nicht von den Ganoven. Ich spreche von Interpol, einer Organisation, der es nicht viel Aufwand bedeutet, eine
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