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Der Hund kommt - Roman

Der Hund kommt - Roman

Titel: Der Hund kommt - Roman
Autoren: Christine Noestlinger
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weite Welt!«
    »Dort, wo Sie herkommen, werter Hund, ist auch weite Welt«, sagte die Frau. »Das ist eine Standpunktsache!«
    Die zwei haben eigentlich Recht, dachte der Hund. Von guten Argumenten ließ er sich immer überzeugen.
    Er wischte sich Bierschaum von der Schnauze und fragte: »Und wofür könnten Sie mich brauchen?«
    »Als Rausschmeißer, werter Hund«, sagte der sanfte Heinrich. »Ich brauche einen, der die Gäste aus dem Lokal wirft!«
    »Sein Vater, der wilde Heinrich, hat das selbst erledigt«, sagte die Frau. »Der war ein Mordskerl! Aber mein Mann ist zu schwach. Bierzapfen und Servieren und Gäste rauswerfen, das ist zu viel für ihn, das schafft er einfach nicht!«
    Der Hund schaute sich in der Wirtsstube um. Die zwei Hennen und den Hahn, den jungen Hund und die Katze schaute er an.
    Er fand sie alle ziemlich nett. Und er hatte keine Lust, einen von ihnen zu packen, aus der Wirtsstube zu tragen und vor die Tür zu setzen.
    »Ich glaube, das ist kein Job für mich«, sagte er. »Es geht nicht um solche Gäste, wie sie jetzt hier sind«, sagte die Frau. »Die sind schon in Ordnung! Aber am Abend, da kommt allerhand Gelichter! Schläger und Spieler und Bolde aller Sorten!«
    »Wenn das so weitergeht, bekommt mein Lokal einen schlechten Ruf«, sagte der sanfte Heinrich. »Und dann kommen die anständigen Leute nicht mehr. Und dann sind wir bald eine Spelunke!«
    Der Hund schleckte seinen Teller leer und überlegte: Nun ja, eigentlich hätte ich mir was anderes vorgestellt! Bolde rauswerfen ist neu für mich. Und Gelichter habe ich mein Lebtag lang überhaupt noch nicht gesehen. Ich kann also etwas erleben!
    Der Hund schob der Frau den saubergeschleckten Teller hin und sagte: »O.K! Ich nehme den Job an!«
    Der sanfte Heinrich und seine Frau freuten sich mächtig. Bezahlen musste der Hund fürs Wurzelfleisch und fürs Bier nichts, denn Kost und Quartier, sagte der sanfte Heinrich, habe er nun frei. Und die Bezahlung, sagte die Frau, erfolge nach Leistung. »Pro rausgeworfenem Bold, pro entferntem Gelichter je siebzig Schilling, wenn Sie damit einverstanden sind«, sagte die Frau.
    Der Hund nickte. Hinter Geld war er ja sowieso nicht her.
    Arbeitsbeginn war für den Hund jeden Tag bei Sonnenuntergang. Arbeitsschluss war jeden Tag um Mitternacht. Zu tun hatte er nicht viel. Er saß an einem Tisch, trank Bier oder mampfte Salzstangen, las Zeitung oder döste vor sich hin, machte sich Gedanken oder pfiff leise, und wenn der sanfte Heinrich zu ihm kam und »Tisch drei« oder »Tisch sieben« oder »Tisch eins« murmelte, dann erhob sich der Hund, um bei Tisch eins oder Tisch drei oder Tisch sieben Ordnung zu schaffen. Zum richtigen »Rausschmeißen« kam er fast gar nicht, denn alles, was an Bolden und Gelichter in der Wirtsstube herumhockte, war höchstens halb so groß und halb so breit wie der Hund und verdrückte sich schleunigst zur Tür hinaus, wenn der Hund bloß auf den Tisch zutrottete.
    Erst am fünften Arbeitstag hatte der Hund einen echten »Rausschmiss«. Da kam ein junger, bunter Hund in die Wirtschaft. Obwohl in der Stube noch viele freie Tische waren, setzte er sich zu einer alten Katze an den Tisch. Die Katze aß Ölsardinen in Thunfischsoße. Der junge, bunte Hund grapschte sich eine Ölsardine von ihrem Teller. Die Katze fauchte ihn böse an, aber der junge, bunte Hund scherte sich nicht darum und grapschte sich noch eine Ölsardine vom Teller der Katze. Die Katze kreischte: »Wirt, Wirt, man schaffe mir den Hundsflegel aus meinem Teller!«
    »Tisch fünf, der bunte Hund bei der Katze!«, flüsterte der sanfte Heinrich dem Hund zu.
    Der Hund stand auf und ging zu Tisch fünf. Der junge, bunte Hund grapschte sich die letzten zwei Ölsardinen vom Teller der Katze, steckte sie ins Maul und schaute dem Hund entgegen, als habe er gar keine Angst. Ganz frech schaute er und rief: »Na, Alter! Passt dir vielleicht was nicht?«
    Mit einem einzigen schnellen Schwanzschlag hätte der Hund den jungen, bunten Hund vom Stuhl fegen können. Mit einer Pfote, ohne dabei ins Schnaufen zu kommen, hätte der Hund den jungen, bunten Hund k.o. schlagen können. Aber der junge, bunte Hund erinnerte den Hund an seinen jüngsten Sohn! Die gleiche freche rosa Schnauze hatte er! Und die gleichen scheckigen Spitzohren! Und den gleichen lockigen Ringelschwanz!
    Der Hund dachte: Ja, ja! Grad so könnte mein Jüngster da sitzen! Frech und ohne Manieren! Nix wie stänkern und angeben und Scheiß bauen! Aber tief
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