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Der Hueter und das Kind

Der Hueter und das Kind

Titel: Der Hueter und das Kind
Autoren: Vampira VA
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entreißen zu lassen.
    Denn es gab jemanden, der ihm dabei helfen konnte. Der einzige vielleicht, der Landru jemals etwas wie ein Freund gewesen war.
    Und dieser »Freund« wiederum kannte einen Mann, der selbst dem Tod seine Geheimnisse gestohlen hatte.
    Landru machte sich auf den Weg.
    Nach Indien.
    *
    Italien, am Fuße der Abruzzen
    Wie immer, wenn Giuseppe Mazzano zu den Gipfeln der Berge aufsah, kam er sich winzig vor.
    Und wie immer fühlte er sich unbehaglich, als sein Blick sich an jener Stelle des Steilhangs verfing, an der etwas wie ein riesiger steinerner Adlerhorst aus dem Felsmassiv wuchs.
    Wolkenfetzen hingen wie das Gespinst einer gewaltigen Spinne um Monte Cargano. Doch unsichtbar schien noch etwas anderes das Kloster einer namenlosen Bruderschaft zu umwehen: etwas, für das Giuseppe sein Leben lang kein geeignetes Wort gefunden hatte; wohl deshalb, weil es keines gab - so wie es das, was es zu benennen gegolten hätte, nicht hätte geben dürfen. Und doch war es da, seit der Bauersmann denken konnte und zum ersten Mal zu jenem Bauwerk im Schoß der Wolken, zweitausendfünfhundert Meter über dem Rest von bella Italia, hinaufgesehen hatte. Und es war wohl schon lange zuvor dagewesen, vielleicht seit dem Anbeginn aller Zeit ...
    Giuseppe Mazzano versuchte, die düsteren und vor allem sinnlosen Gedanken zu vertreiben.
    Er hatte keinen Grund, sich wegen des Klosters oder der Mönche, die dort lebten, oder wegen sonst etwas Sorgen zu machen. Im Gegenteil, hätte es jene Brüder nicht gegeben, dann erst hätte er allen Grund zur Sorge gehabt. Denn sie waren es, die ihm den größten Teil dessen, was auf seinem kargen Boden wuchs, abkauften. So wie sie es schon seinem Vater und dessen Vater abgekauft hatten. Vermutlich reichte die Kette noch sehr viele Generationen weiter zurück. Wäre es anders gewesen, hätte es den Hof der Mazzanos längst nicht mehr gegeben. Denn die geringe Ernte lohnte kaum, sie in der Stadt auf dem Markt anzubieten. Allein die Transportkosten hätten den Erlös fast aufgefressen. So aber genügte es, den eigenen Tisch zu decken, und von dem Gold, das die Bruderschaft ihnen bezahlte, konnten sie sich das Notwendigste fürs Leben kaufen.
    Für ein karges Leben .
    Dennoch wäre Giuseppe nie auf die Idee gekommen, den Hof aufzugeben. Wie auch seine Vorväter es nie getan hatten.
    Vielleicht, ging es ihm durch den Sinn, hing es mit dem zusammen, was er manchmal spürte, ohne es zu sehen - mit jenem namenlosen Etwas, das von Monte Cargano ausging .
    Dennoch, überlegte er weiter, würde das Geben und Nehmen zwischen den Mazzanos und den Brüdern irgendwann ein Ende haben. Er, Giuseppe, und seine Frau würden das letzte Glied der Kette sein. Nach ihnen würde der Bauernhof nicht mehr bewirtschaftet werden. Nicht von den Mazzanos. Denn die Mazzanos würden mit ihnen sterben. Sie hatten keine Kinder, obgleich sie sich stets welche gewünscht hatten. Doch Gott hatte ihren Wunsch nicht erhört .
    Giuseppe grinste müde.
    Sollte er ruhig weghören, der alte Mann da oben; sie jedenfalls würden nicht aufhören, es zu versuchen. Sie waren noch längst nicht zu alt dafür. Und vielleicht waren es ja gerade diese unermüd-lichen »Versuche«, die ihn und Livia jung hielten .
    Ein rauhes Lachen stieg in ihm auf, doch es erstickte, ehe es seine Lippen erreicht hatte.
    Ein Geräusch hatte ihn innehalten lassen.
    Es wiederholte sich, andere kamen hinzu, bis ein regelrechter Chor daraus wurde. Ein Chor von Tierstimmen, die von heller Aufregung kündeten.
    Giuseppe rannte los, schnappte sich im Laufen eine Mistforke und stürmte über den Hof zu den kleinen Stallungen hinüber.
    Es gab hier in der Gegend noch eine ganze Reihe räuberischer Tiere, die anderenorts längst als ausgestorben oder zumindest selten galten. Giuseppe wünschte sich, sie wären es auch hier - in Momenten wie diesen jedenfalls, wenn sie über sein Vieh herfielen.
    Als er einen Flügel des hölzernen, altersschwachen Tores aufriß, fegte ihm eine gefiederte Wolke entgegen. So kam es ihm zumindest vor, als die aufgeschreckten Hühner hervorflatterten und gackernd das Weite suchten.
    Als das Federvieh an ihm vorüber war, schaute Giuseppe Mazza-no in den Stall hinein. Düsteres Zwielicht ließ ihn kaum etwas erkennen. Nur nervöses Schnauben, Grunzen und Blöken verrieten ihm, daß etwas nicht stimmte, daß etwas hier sein mußte.
    Mazzano fröstelte, ohne zu wissen, weshalb.
    Er wußte nur, daß wohl kein Raubtier in den Stall
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