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Der Hühnerführer: Roman (German Edition)

Der Hühnerführer: Roman (German Edition)

Titel: Der Hühnerführer: Roman (German Edition)
Autoren: Hans Weitmayr
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wissen müssen, als Sie den Tunnel sprengten.“ 
    „ Darf ich rauchen?“ 
    Alexander winkte mir der Waffe Richtung Zigarrenschachtel. „Nur zu, es ist ihr Haus.“  
    Es dauerte eine Weile, bis Dvorschak die Zigarre zum Ziehen gebracht hatte.   
    Zu zittrig die Hände, zu kurz der Atem.  
    „ Es waren die Panzer, oder?“ 
    Dvorschak blies einen Ring aus Rauch durch den Mund.   
    „ Ja. Die Panzer. '68. Was sonst? Und dann die Leute von der Charta '77. Die Russen hatten kein Recht, uns das anzutun. Und diese Feiglinge, die dann in den Hradschin zogen … womit glaubten sie, unsere Loyalität verdient zu haben? Sie brachten meinem Volk drei Jahrzehnte Verzweiflung. Eine, wahrscheinlich zwei Generationen zerstört. Hätte ich da einfach zuschauen sollen?“ 
    „ Und Fleischer? Er kommt in Ihren Akten vor. Aber es gibt nicht allzu viel über ihn. Erst ab dem Hinterhalt.“ 
    „ Fleischer.“ Alexander spuckte einen Tabakkrümel auf den Teakboden. „Das Schwein hat zuerst für Dubcek und dann für Husak spioniert.“ 
    Dvorschak nickte. „Sie wurden also plötzlich wirklich zu Gegnern.“  
    Dvorschak nickte.   
    „ Warum wollten Sie damals über die Grenze?“ 
    Dvorschak studierte den unregelmäßigen Verlauf des Tabakblattes, in den der Inhalt der Zigarre gewickelt war. „Es war mir zu heiß geworden. Die Stasi war an mir dran.“  
    „ Fleischer?“ 
    „ Fleischer.“ 
    „ Er wusste nicht, dass Sie es waren, der geschleppt werden sollte, oder?“ 
    Dvorschak lachte laut auf. „Natürlich nicht! Hätte irgendjemand in Prag – oder auch Fleischer – geahnt, dass ich in Wirklichkeit für den Westen arbeite, würde ich nicht hier sitzen. Sie waren nah dran, aber sie wussten noch nicht, wen sie da jagten.“  
    Dvorschak blickte missmutig auf sein leeres Glas. „Es macht Ihnen doch nichts aus?“ Dvorschak nahm die fast volle Flasche Havannah Club,   goss sich das halbe Glas voll und leerte es in einem Zug.  
    Mit der Zungenspitze befeuchtete er sich kurz die Lippen. Dann fuhr er fort, nach innen gerichtet, fast als erzählte er es sich selbst, als wäre Dvorschak gar nicht mehr da: „Die Tschechen wussten nichts. Sie wussten auch nicht, dass ich Fleischers Büro verwanzt hatte. Also erfuhr ich rechtzeitig von der Falle.“  
    „ Und stellten dann mir eine.“ 
    „ Nein!“ Dvorschak hieb wütend auf den Tisch. „Nein! Ich wusste nicht, dass Sie dort sein würden. Es hätte jemand anderes kommen sollen. Dass er Sie schickte, war unverantwortlich, Sie hatten keine Felderfahrung, waren nur ein kleiner ...“ Müde winkte er ab. „Was soll's. Geschehen ist geschehen.“ 
    „ Was soll's?“ Alexander hob die Waffe. „Diese Nacht hat mich mein Leben gekostet.“ 
    Alexander nickte. „Ich weiß. Und es tut mir unendlich leid.“ Er seufzte. „Ich habe alles versucht, um Sie dort herauszuholen. Aber es war unmöglich. Mein Einfluss war nicht groß genug. Erst als das Gefängnis aufgelöst wurde ...“  
    „ Ja.“ Alexander lehnte sich in seinen Stuhl zurück. „Ich weiß. Sie haben mich gerettet. Dafür bin ich Ihnen auch dankbar. Damals waren wir quitt. Selbst wenn Sie gewusst hätten, dass ich es war, den Sie da ans Messer lieferten.“ 
    Dvorschak blickte auf, gestattete sich Hoffnung. „Heißt das …?“  
    Alexander schüttelte den Kopf.  
    „ Oh.“  
    Dvorschak schlug die Augen nieder.   
    Mit einem Mal fühlte er die Jahre.   
    Die ganze große Zahl.  
    „ Sie hätten mich …“ begann Alexander 
    Dvorschak hielt den Blick gen Boden gerichtet...   
    „ ... Fleischer nicht umbringen lassen dürfen... 
    … dachte nicht mehr  an all die Jahre die hinter-, sondern an die, die  noch vor ihm lagen … 
    „ ... ich hatte keine Rechnung ...“ 
    … zehn, fünfzehn, vielleicht, zwanzig Jahre …. 
    „ ... mit ihm offen. Sie hätten es mir ...“ 
    … bei aller Gesundheit, die er für sein Geld kaufen konnte … 
    „ ... sagen müssen. Wirklich sagen müssen. Wir hätten auch so...“ 
    … dachte, dass er wahrscheinlich  zu alt war, um es zu schaffen … 
    „ ... reich werden können. Mit allen Rechnungen, fast allen Rechnungen ...“ 
    … dachte „was soll’s“ … 
    „ … im Reinen. Aber jetzt sind noch zwei offen ...“ 
    … und versuchte es trotzdem. 
     
     
    ***  
     
     
    Alexander lehnte sich zurück. Die Hand mit der abgefeuerten Waffe kraftlos in seinem Schoß.  
    „ Noch eine Rechnung offen“, erklärte er
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