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Der Hühnerführer: Roman (German Edition)

Der Hühnerführer: Roman (German Edition)

Titel: Der Hühnerführer: Roman (German Edition)
Autoren: Hans Weitmayr
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öffnete er das Paket, das Carmelita vor seinem Bett abgestellt hatte. Eine Zeitung war als Schutz um die Pistole gewickelt. Er nahm die Schusswaffe an sich, steckte sie in seinen Hosenbund, zog sein Hemd darüber.  
    Die Zeitung legte er zurück.  
    Dann schnürte er das Paket wieder zu und klemmte es unter den Arm.   
    Dann horchte er kurz in sich hinein.   
    Nein, er hatte es sich nicht anders überlegt.   
    Die Mühe, den Rest seiner Sachen auszupacken machte er sich also nicht.  
     
     
    ***
     
     
    Als er die schwere Holztreppe hinunterging, lagen der einladende Geruch des Abendessens und die süßen Klänge einer fast vergessenen Musik in der Luft. 
    „ Carlos Gardel?“, fragte er, als der den Salon betrat. 
    Dvorschak, der in einem schweren Ledersofa saß und die Augen geschlossen hatte nickte nur. „Wunderbar, oder?“  
    „ Es ist lange her, dass ich ihn irgendwo gehört hätte.“ 
    „ Das kommt schon wieder. Tango ist unsterblich.“ 
    Dvorschak schlug die Augen auf. „Haben Sie Hunger?“  
    „ Seit ich das Essen gerochen habe.“ 
     
     
    ***
     
     
    Es gab natürlich Huhn à la Criolla.
    Alexander konzentrierte sich darauf, jeden Bissen zu spüren, sich jedes Moments zu vergegenwärtigen, das Jetzt zu fassen.  
     
     
    ***
     
     
    Dvorschak hatte Carmelita nach Hause geschickt. Statt Gardel lag Ibrahim Ferrer auf dem Plattenteller. 
    „ Von ihm habe ich noch nie gehört“, meinte Alexander 
    Dvorschak lächelte. „Der kommt auch wieder. Unsterblich. Und: Lebt noch. Hier in Kuba. Was meinen Sie, was der für Konzerte geben würde?“  
    Sie saßen an dem schweren Couchtisch in massiven, kolonial gehaltenen, dunklen Leder-Fauteuilles. Schwere Zigarrenschwaden schwebten durch den Raum, Dvorschak nippte an seinem Havanna Club. Er deutete auf das Paket, das neben Alexander auf dem Boden lag.  
    „ Was haben Sie denn da?“ 
    „ Lassen Sie es mich Ihnen zeigen.“ 
    Alexander öffnete die kleine Schachtel. Er holte die Zeitung heraus, reichte sie Dvorschak.  
    „ Die ist drei Jahre alt.“ 
    „ Schlagen Sie Seite 23 auf.“ 
    Dvorschak faltete die Zeitung auf. Eine Kurzmeldung zu Fleischers Selbstmord. Er schlug sie irritiert zu.  
    Und starrte in die Mündung einer Glock 17C.  
     
      
    ***
     
     
    Vorsichtig legte Dvorschak die Zeitung auf seinen Schoß 
    „ Wenn das ein Scherz sein soll, ist es kein besonders guter.“ 
    „ Es tut mir leid, dass ich mein Gastrecht auf diese Weise verletzen muss.“ 
    Beide schwiegen. Sekunden vergingen, ein Herzschlag beschleunigte sich.   
    „ Was wollen Sie?“ 
    „ Ich will nichts, ich muss.“  
    Alexander spürte, wie die Ruhe, die ihn berührt hatte, nachdem er die Waffe auf Dvorschak gerichtet hatte, seinen gesamten Körper zu durchdringen begann. Es war ein sehr … gutes … Gefühl.   
    Beinahe hätte er gelächelt.  
    „ Ich verstehe nicht.“ 
    „ Ich war vorige Woche in Prag.“ 
    Dvorschak blinzelte.   
    Zu viel Blut schoss in seinen Kopf.  
    „ In den Archiven.“ 
     
     
    ***
     
     
    Er erzählte ihm von seiner Reise, vom Archiv und wie überraschend freundlich alle gewesen waren. Und dann erzählte er ihm, was er über Fleischer gelesen hatte. 
    „ Er hatte keine Ahnung.“ 
    „ Keine Ahnung wovon?“ 
    „ Von dem Hinterhalt.“ 
    „ Das glaube ich nicht.“ 
    Alexander nickte. Nachdenklich. „Ich habe Ihnen doch von der jungen Archivarin mit dem guten Buch erzählt?“  
    „ Ja, haben Sie.“ 
    „ Wissen Sie, was man sich von dieser jungen Dame für ein 1000 Schilling-Lesezeichen kaufen kann?“ 
    Dvorschak schwieg.  
    Alexander lud seine Waffe durch.   
    „ Einblick in Ihre Akten.“ 
     
     
    ***
     
     
    An jenem Nachmittag in Prag wurde Alexander einiges klar. Vor allem, was für ein Idiot er gewesen war. Damals, als er Spionage für ein faszinierendes, lukratives Spiel gehalten hatte. Ein Spiel, bei dem man nur gewinnen konnte, vorausgesetzt, man hielt sich ordentlich bedeckt und zog keine Aufmerksamkeit auf sich.  
    Das leicht verdiente Geld hatte seine Sinne benebelt, ganz so wie es dem Spielsüchtigen geht, der das Pech hat, bei seinem allerersten Casinobesuch groß zu gewinnen.   
    „ Angefixt“ nannten die jungen Leute das heutzutage. 
    Wieso hatte er nie in Betracht gezogen, dass nicht nur er, sondern auch Dvorschak und Fleischer Doppelagenten gewesen waren? Wo es doch auf der Hand gelegen war ...  
     
     
    ***
     
     
    „Ich hätte es
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